Wir in Mecklenburg-Vorpommern: Eine starke Demokratie braucht gelebte Solidarität

Jeannine Rösler

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,
Solidarität und Zivilcourage sind das Fundament einer demokratischen Gesellschaft.
Sie wird getragen von Menschen, die im Sinne von Frieden, Gerechtigkeit, Toleranz und
Weltoffenheit, im Sinne der Menschenrechte handeln – freiwillig und aus Überzeugung.
Jede und jeder von uns begegnet ihnen im Alltag.
Wir arbeiten zusammen, wir reden miteinander, wir hören einander zu, lernen voneinander
und gestalten zusammen das Leben vor Ort und im Land – ohne Vorurteile und respektvoll.
Ich denke dabei an meine Mitstreiterinnen und Mitstreiter in der Gemeindevertretung, die
Ehrenamtlichen, die das Dorffest gestalten oder Kinder und Jugendliche im Sportverein
trainieren,
ich denke an die jungen Musikerinnen und Musiker, die den bundesweiten Band-Contest
Inklusiv gewonnen haben,
ich denke aber auch an die ehrenamtliche Bürgermeisterin, die sich für ihre Gemeinde
aufreibt, an die Pastorin aus dem Nachbarort, die über den Tellerrand schaut, die Kita-
Leiterin, die so wertschätzend über ihre Kolleginnen spricht, ich denke an meinen Nachbarn,
der ohne großes Getöse hilft, wenn andere in Not sind.
Diese Menschen sind es, die für Zusammenhalt stehen, die täglich Solidarität leben und sich
dafür einsetzen, dass Menschen nicht ins Abseits geraten und Chancen auf ein gutes Leben
haben.

Meine Damen und Herren,
die Würde des Menschen ist unantastbar. Das sagt sich so leicht und ist doch nicht
selbstverständlich.
Wir alle sind gefordert, aktiv für die in der Verfassung verankerten Grundrechte einzutreten.
Sie zu schützen, ist immerwährende Aufgabe.
Ich bin überzeugt: Wir schaffen das!
Dazu gehört, sich vor Augen zu halten, dass es immer wieder demokratiefeindliche
Aktivitäten in Mecklenburg-Vorpommern gibt. Jüngste Zahlen zeigen: bei der politisch
motivierten Kriminalität ist eine weit überwiegende Zahl an Straftaten im Phänomenbereich
rechts zu verorten. Tendenz steigend.
Staat und Zivilgesellschaft stellen sich dieser Entwicklung.
Es wächst die Kraft derer, die sich gegen Hass und Gewalt, für ein friedliches und tolerantes
Miteinander ganz vielfältig und praktisch engagieren.
Stärken wir diesen engagierten Menschen den Rücken mit allem, was erforderlich und
möglich ist. Dazu gehört u.a. auch das Demokratiefördergesetz des Bundes, das leider noch
von der FDP ausgebremst wird.
Ermutigen wir Bürgerinnen und Bürger, sich für ein diskriminierungsfreies Mecklenburg-
Vorpommern einzusetzen.
Fügen wir der Landesverfassung ein wichtiges Staatsziel hinzu: die konsequente
Zurückdrängung rassistischer, antisemitischer und neonationalsozialistischer Bestrebungen.
Ein aktives Ja zu unseren Grundwerten und Grundrechten wird umso wichtiger in Zeiten, in
denen sich eine in Landtagen und dem Bundestag vertretene Partei immer enger mit offenen
Demokratiefeinden verzahnt.
Ein aktives Ja zu demokratischen Grundwerten heißt, das Ehrenamt in den Kommunen weiter
zu stärken, die unzähligen Freiwilligen hier im Land zu unterstützen. Ohne sie – das wissen
wir alle – geht oft nichts mehr. Das fängt bei der Feuerwehr an und endet bei den
kommunalpolitisch Engagierten. Städte, Gemeinden und Landkreise meistern ihre Aufgaben
mit Bravour – dafür danken wir ausdrücklich.
Zunehmend aber erleben kommunale Vertreterinnen und Vertreter offene Anfeindungen und
am Rande von Gremiensitzungen auch offen rechtspopulistische und rechtsextreme
Provokationen.

Das, meine Damen und Herren, widerspricht unseren Grundwerten, hier werden ganz klar
Grenzen überschritten. Den Betroffenen gilt unsere Solidarität.
Aber auch den Kommunen selbst stehen wir zur Seite.
Dies unterstreichen wir auch in dieser Landtagssitzung.
Solidarische Kommunen, die Geflüchtete aufnehmen und aufgenommen haben, unterstützt
das Land mit einem 20-Mio.-Bürgerprogramm bei verschiedenen Vorhaben - was noch einmal
deutlich über die ohnehin vollständige Erstattung der Kosten für die Unterbringung der
Geflüchteten hinausgeht.
Wir erwarten, dass sich der Bund seiner Verantwortung stellt und die Länder endlich mehr
und verlässlicher als bislang unterstützt.

Meine Damen und Herren,
je mehr Menschen sich an Politik beteiligen, an Entscheidungen mitwirken können, desto
stärker wird die Demokratie.
Wir werden daher mit der Kommunalverfassung und dem Kinder- und
Jugendbeteiligungsgesetz die Mitwirkung von Bürgerinnen und Bürgern ausbauen.
Wir haben das Wahlalter 16 umgesetzt.
Wir haben mit dem gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm, der Enquetekommission
„Jung sein in MV“ und mit dem geplanten Klimaschutzgesetz breite und zum Teil völlig neue
Beteiligungsprozesse eingeleitet.
Das ist beispielhaft, das ist anstrengend und das ist richtig so.
Zukunft wird vor Ort gestaltet.
Und deshalb wäre es ein Skandal, wenn der Bund seine unsolidarischen Kürzungspläne wahr
macht.
Dies hätte unmittelbare Auswirkungen auf den Landeshaushalt und auf unsere Strukturen im
ländlichen Raum.
Statt weniger brauchen wir mehr Investitionen in die ländlichen Räume, für Modernisierung,
für regionale Wertschöpfung, für Bildungsinfrastruktur und in den Wohnungsbestand.
Gutes Wohnen muss allerorten möglich sein.
Deshalb kann etwa die Modernisierungsförderung auch in kleineren Gemeinden beantragt
werden.
Deshalb gibt es neue Förderhöhen, um hohe Baukosten und Mietsteigerungen abzufedern.
Deshalb haben wir ein Sonderprogramm für die Instandsetzung leerstehenden Wohnraums
aufgelegt.
Und deshalb entlasten wir mit dem Entschuldungsfonds die Kommunen und kommunalen
Wohnungsunternehmen in den kommenden Jahren vollständig von ihren Altschulden aus dem
DDR-Wohnungsbau.
Das ist ein Novum, das macht kein anderes Bundesland – ein außerordentlich wichtiger Punkt
– auch im Sinne gelebter Solidarität.

Meine Damen und Herren,
selbst wenn von Seiten des Bundes Ungemach droht und unser Haushalt auf Kante genäht ist,
lässt die rot-rote Koalition die Familien im Land nicht im Stich.
Es bleibt bei der gebührenfreien Kita, beim gebührenfreien Ferienhort, und mit dem
vergünstigten Azubi- und Seniorenticket sorgen wir für Entlastungen im Portemonnaie aller
Generationen. Gleichzeitig stärken wir Schulen und Kitas.
Und wenn schon der Bund hier nicht sonderlich solidarisch ist, dann müssen wir es umso
mehr sein und deshalb setzen wir die Sprachkitas fort und finanzieren sie nun aus eigenen
Mitteln.
Das unwürdige Gezerre um wichtige Gesetzesvorhaben – und ganz besonders um die
Kindergrundsicherung – ist kontraproduktiv, wenn es um Vertrauen geht.
Und schon gar nicht hilft es, Kinder aus der Armut zu holen und ihnen gute Startchancen zu
ermöglichen.

Meine Damen und Herren,
Solidarität vermissen wir nach wie vor bei den Netzentgelten für den Strom. Hierzulande sind
die Preise immer noch die höchsten in ganz Deutschland. Ohne Netzentgeltreform oder
Strompreiszonen wird sich daran nichts ändern.
Seit Jahren fordern wir, diese eklatante Ungerechtigkeit zu beseitigen. Obwohl seit Monaten
von Minister Habeck versprochen, hat sich bisher nichts getan.
Die Zeit läuft uns davon – und vor allem die Akzeptanz für Erneuerbare Energien.
Solidarität und Verantwortung dürfen keine Einbahnstraße sein. Das sage ich in Hinblick auf
die Länder, die vom nicht verbrauchten Strom auch aus Mecklenburg-Vorpommern und
niedrigeren Strompreisen profitieren und auch in Hinblick auf Entscheidungen zum geplanten
LNG-Terminal in Mukran.

Meine Damen und Herren,
die sich überlagernden Krisen in bisher nicht gekanntem Ausmaß treffen und fordern die
Gesellschaft und jeden einzelnen. Menschen sind verunsichert, sie sind beunruhigt und haben
teilweise Angst.
Hier haben Rechtspopulisten leichtes Spiel. Sie heizen das Feuer der Angst ordentlich an –
bieten aber selbst keine tragfähigen Lösungen.
Gleichzeitig spielen sie in übler Weise Menschengruppen gegeneinander aus, schüren Hass
und Hetze und sehnen politisches Chaos herbei, um daraus Kapital zu schlagen.
Für alle Demokratinnen und Demokraten heißt es mehr denn je, in schwerer See standhaft zu
sein, den demokratischen Kurs zu halten und den Zielhafen gut und sicher zu erreichen.
Lassen Sie uns unter dem Leitbild „Wir in MV“ gemeinsam bunte widerstandsfähige Segel
setzen.