Wahlalter 16 - Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Landes- und Kommunalwahlgesetzes

Christian Albrecht

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
werte Kolleginnen und Kollegen,
was lange währt, wird endlich gut. Die Forderung nach dem Wahlalter 16 auf Landesebene begleitet uns im Landtag schon etwas länger. Meine Fraktion hatte dies in Person von Jacqueline Bernhardt in der letzten Wahlperiode zweimal konkret beantragt, einmal 2017 und einmal 2018. In der damaligen Regierungskonstellation war das leider nicht mehrheitsfähig und ist am Widerstand der CDU gescheitert. Heute, unter veränderten Vorzeichen in der rot-roten Koalition, wird dieser Schritt zu mehr demokratischer Teilhabe (hoffentlich) endlich vollzogen, darüber freue ich mich sehr!
Die Debatte um das Wahlalter 16 wurde mitunter kontrovers geführt. Das ist ein Stück weit normal und war schon immer so. Jede Öffnung des Wahlrechtes musste gegen politische Widerstände und konservatives Denken durchgesetzt werden. Das war so, als Bürgerinnen und Bürger überhaupt das Wahlrecht erhalten sollten, das war so als das Zensus- oder Dreiklassenwahlrecht abgeschafft werden sollte, das war so als das Wahlrecht für Frauen kommen sollte und das war bei jeder Absenkung des Wahlalters in den deutschen Staaten in den letzten gut 150 Jahren so. Immer ging es um die Sorge, dass diese Personengruppen ihr Wahlrecht nicht richtig wahrnehmen könnten, dass es ihnen an der Befähigung und dem notwendigen Wissen fehle und dass sie am Ende „das Falsche“ wählen könnten, oder anders interpretiert: man fürchtete, dass die, die bisher nichts zu melden hatten, den Status Quo gefährden könnten.
Ich glaube aber die Geschichte hat gezeigt, dass dieser fortschreitende Prozess der Demokratisierung und der stärkeren Beteiligung die Demokratie insgesamt gestärkt hat und erwarte das auch von dieser Anpassung des Wahlalters.
Aus der fachlichen Sicht sind die positiven Effekte unbestritten, das wurde auch nochmal im Rahmen der Anhörung im Innenausschuss sehr deutlich. Gerade im skandinavischen Raum sind die Themen Wahlbeteiligung und Wählen sehr gut erforscht und es hat sich gezeigt, dass Menschen, die ihr Erstwahlrecht wahrnehmen auch im späteren Leben statistisch deutlich häufiger wählen gehen. Wählen gehen ist, wie vieles andere auch, eine Gewohnheit, und Gewohnheiten prägen sich vor allem in der Jugend aus. Es gibt weiterhin einen klaren Zusammenhang zwischen „Mündigkeit“, also hier dem Wahlrecht und politischem Interesse. Auch das ist ein sehr positiver Effekt, der durchaus das restliche Leben durchträgt. Negative Folgen gibt es eigentlich keine und ich möchte auch darauf hinweisen, dass es das Wahlalter 16 bereits in 4 anderen Bundesländern gibt und es von dort nichts Negatives zu berichten gibt.
Lediglich der Wunsch nach mehr politischer Bildung wurde auch im Rahmen der Anhörung von praktisch allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern formuliert, um auch eine fundierte Wahlentscheidung treffen zu können. Mehr politische Bildung ist immer gut, da haben wir ja auch bei den Erwachsenen teilweise erhebliche Defizite selbst bei grundlegenden Dingen, da gibt es keinen Dissens.
Ich möchte hier aber darauf hinweisen, dass Bildung bzw. politische Bildung zwar wichtig und wünschenswert sind aber niemals die Zugangsvoraussetzung für das Wahlrecht sein dürfen. Ich zitiere aus einer Schrift der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen:
„Politische Urteilsfähigkeit, Reife oder Mündigkeit sind keine legitimen Kriterien für die Verleihung des Wahlrechts.
Nach einmütiger Auffassung der Staatsrechtslehre darf die Gleichheit politischer Rechte als Grundlage der Demokratie nicht durch Unterschiede beispielsweise in der Bildung oder der Einsichtsfähigkeit formal beschränkt werden. Das Wahlrecht ist daher nicht an kognitive Voraussetzungen geknüpft und wird bei volljährigen Bürgern demgemäß weder gefordert noch geprüft.“
Und weiter:
„An keiner Stelle gibt es Kriterien, woran man politische Urteilsfähigkeit messen oder knüpfen könnte. Der Begriff der politischen Urteilsfähigkeit ist weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung noch im rechtswissenschaftlichen Schrifttum oder in den Sozialwissenschaften definiert. Es ist daher äußerst problematisch, einen Maßstab für das Wahlrecht zu fordern, von dem nirgendwo geklärt ist, was er bedeutet.“
Oder verkürzt: Wählen gehen ist ein Grundrecht und kein Privileg, dass man sich erst verdienen muss.
In diesem Zusammenhang möchte ich an den Beitrag von Prof. Heußner aus der Anhörung erinnern. Er hat argumentiert, dass hier im Land, anders als im Bund, wo das Wahlalter 18 per Grundgesetz definiert ist, laut Landesverfassung erstmal alle Bürgerinnen und Bürger wählen dürfen und das Wahlrecht dann in weiteren Regelungen eingeschränkt wird. Diese Einschränkungen müssen aber gut begründet sein. Am Wahlalter 18 festzuhalten, könne man fachlich-sachlich aber nicht begründen. Daher sein Urteil, ich zitiere: „Das Wahlalter 16 ist nicht nur zulässig, sondern verfassungsrechtlich geboten“, man müsse perspektivisch gar über eine weitere Absenkung debattieren.
Im Rahmen der Anhörung gab es noch viele weitere spannende Argumente, die ich jetzt nicht mehr vortragen kann, aber unterm Strich war das Urteil der Expertinnen eindeutig. Das Wahlalter 16 muss kommen. Und an der Stelle möchte ich auch darauf hinweisen, dass Demokratie und Teilhabe nicht an der Wahlurne beginnen und enden, deswegen haben wir Koalitionäre uns vorgenommen auch ein Jugendbeteiligungsgesetz auf den Weg bringen, um die demokratische Teilhabe junger Menschen noch weiter zu stärken.
Und Ich glaube, junge Menschen können aus dieser langen Debatte um das Wahlalter 16 mit Blick auf ihre politische Bildung schonmal eine Lehre mitnehmen: es ist eben nicht egal, wer regiert.
Wir bitten um ihre Zustimmung, vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.