Simone Oldenburg: Konzept für die Schule nach der Pandemie gemeinsam entwickeln

Frau Präsidentin,

sehr geehrte Damen und Herren,

„Der Weltraum. Unendliche Weiten…

Dies sind die Abenteuer des Raumschiffes Enterprise, das mit seiner 400 Mann starken Besatzung 5 Jahre lang unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisation…“

(EdZ)

Das war das erste, was mir einfiel, als ich hörte, dass das Bildungsministerium den „Bildungspakt für Gute Schule 2030“ im April verkündete. Nicht nur, dass die immer wieder gleiche Verkündung des gleichen Inhaltes genau wie „Raumschiff Enterprise“ eine Serie zu sein scheint, gleicht sich auch Beides darin, dass man sich in unendliche Weiten flüchtet.

Immer schön weit weg.

Immer schön im Konjunktiv.

Und immer schön die Zukunft fest im Blick, aber nicht die Gegenwart.

Alle bereits bekannten Probleme werden aufgezählt.

Lösungsvorschläge werden benannt – aber dabei bleibt es auch – geändert wird nichts.

Denn die 400 Mann starke Besatzung bleibt vermutlich am Boden - denn folgende Aussage macht alles, was zuvor benannt wurde, zu Nichte.

– ich zitiere:

„Um allgemein- und berufsbildende Schule als relevantes Thema gut und sicher aufzustellen, sind weitere Ressourcen notwendig, Sollten!!! – ich wiederhole: SOLLTEN – sich in den nächsten Jahren weitere finanzielle Spielräume ergeben, sind sich die Partner darüber einig, dass der Ausbau und die Erweiterung der vereinbarten Maßnahmen eine hohe Priorität genießen.“ (EdZ)

Alles das, was bis 2030 verändert werden könnte, bleibt also so lange Utopie, solange sich keine finanziellen Spielräume ergeben.

Das, sehr geehrte Damen und Herren der Koalition, das ist der falsche Ansatz – so werden alle dringend notwendigen und überfälligen Maßnahmen in den unendlichen Weiten des Universums verschwinden – und zwar auf nimmer wiedersehen.

Denn welche Spielräume sollte ein Haushalt, der durch eine Milliarden-Corona-Verschuldung gebeutelt ist, bieten.

Bildung darf doch nicht von Spielräumen abhängig sein.

Bildung wurde jahrelang auf Verschleiß gefahren.

Bildung darf nicht mehr verhandelbar sein.

In sie muss investiert werden und zwar koste es, was es wolle.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Corona hat doch nur die zahlreichen Baustellen in der Bildung offengelegt – bekannt sind sie seit vielen, vielen Jahren. Und natürlich gab es auch Verbesserungen, die möchte ich auch noch einmal deutlich benennen:

  • Die Grundschullehrkräfte wurden nach Jahren der Ungleichbehandlung endlich besser vergütet,
  • an den Gymnasien gab es zusätzliche Stellen zur Begabtenförderung und
  • ältere Lehrkräfte erhielten zusätzliche Anrechnungsstunden.

Das alles darf nicht verschwiegen werden, aber es darf auch kein Feigenblatt sein, dass genug getan wurde und die Lösung der zahlreichen Probleme solange verschoben wird, bis uns das gesamte System um die Ohren fliegt.

Die Kinder und Jugendlichen brauchen jetzt verbesserte Lernbedingungen. Die Eltern brauchen sofort Gewissheit, dass ihre Kinder einen Schulabschluss erreichen, der kein Corona-Not-Abschluss ist, sondern einer, der sie mit Wissen und Kenntnissen bepackt ins Leben starten lässt. Und die Lehrkräfte brauchen jetzt bessere Arbeitsbedingungen, damit sie nicht weglaufen, damit sie in diesem Land arbeiten und damit sie nicht vier und fünf Jahre zu früh in die Rente gehen, weil sie einfach nicht mehr können, weil das System sie kaputt gespielt hat.

Und dazu kann das in der vergangenen Woche verkündete „4-Säulen-Programm“ – „Stark machen und Anschluss sichern“ eine Chance sein, aber nur eine von vielen.

Frau Bildungsministerin, warum kommen Sie damit so spät um die Ecke?

Warum zwei Wochen vor Ende des Schuljahres?

Warum nicht zu Beginn des letzten Lockdowns – So geht es weiter…

Dann hätten Eltern und Kinder, sogar die Lehrkräfte, gewusst, wie es vielleicht weitergehen könnte.

Wir brauchen jetzt eine Inventur, sonst nimmt das Unglück seinen Lauf.

Jetzt müssen wir alles in Angriff nehmen und es nicht einfach in die Ferne, ins nächste oder übernächste Schuljahr, in die nächste Legislaturperiode verschieben.

Zum sofortigen Handeln gehört auch, dass die Lernstandserhebungen noch in diesem Schuljahr durchgeführt werden müssen – so wie wir es gefordert haben.

Es liegt doch auf der Hand:

  • Nur, wenn ich weiß, wo die Lücken sind, macht doch überhaupt ein Ferienlernprogramm Sinn.

Und erst nach den Lernstandserhebungen ist doch auch klar, ob der Abschluss der Jugendlichen gefährdet ist.

Erst dann kann man ihnen das Angebot unterbreiten, an der Förderschule das Freiwillige 10. Schuljahr zu belegen, so, wie Sie es in Ihrem „4-Säulen-Programm“ beschreiben.

Schulabschlüsse sind wichtig, ja, aber warum lassen Sie gleichzeitig fast 300 Plätze im „Produktiven Lernen“ ungenutzt und verringern dadurch die Chancen von fast 300 Jugendlichen auf einen Schulabschluss?

Warum ändern Sie dann auch noch dieses erfolgreiche Angebot des „Produktiven Lernens“ so, dass Sie den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit nehmen, hier auch den höherwertigen Schulabschluss der Mittleren Reife zu erlangen?

Das, was bisher hervorragend funktioniert hat, kicken Sie ohne Not raus.

Sehr geehrte Damen und Herren,

in einem weiteren Punkt wird wieder vorrangig auf Lehramtsstudierende gesetzt, um die Wissensdefizite bei den Kindern und Jugendlichen zu beheben. Das sind aber keine ausgebildeten Lehrkräfte, es sind Studentinnen und Studenten. Sie sind am Anfang oder in der Mitte ihrer Ausbildung, da können sie doch jetzt noch keine Lücken erkennen oder gar beheben. Das sollen sie doch alles erst im Studium lernen, um die Lehrerin oder Lehrer zu werden, studieren sie, dafür muss man in der praktischen Arbeit begleitet werden und darf sie nicht alleine lassen.

Frau Martin, an diese Stelle gehören zusätzliche Lehrkräfte, die Sie schon längst hätten ausschreiben müssen.

Wir brauchen umgehend Maßnahmen, die die Schulabschlüsse sichern und zuvor das nötige Wissen vermitteln. Und dazu braucht es für das komplette Schulsystem eine Inventur.

Was gibt es?

Was brauchen wir?

Was muss neu geschaffen werden?

Das, sehr geehrte Damen und Herren, kann niemand alleine, deshalb schlagen wir eine Bildungskonferenz alle an Schule Beteiligten vor.

Dann nehmen wir das „Bündnis für Gute Schule“ wirklich ernst, nehmen seine Forderungen genauso mit auf, wie die des „Zukunftpaktes“, die 4 Säulen des Bildungsministeriums und die Vorschläge meiner Fraktion.

Seit Januar liegen diese auf dem Tisch, und diese wiederhole ich hier nochmal gerne:

  • 300 zusätzliche Lehrkräfte zur individuellen Förderung,
  • eine Verlängerung des Schuljahres,
  • eine Vorschule für die künftigen Erstklässler,
  • Schulsozialarbeit an jeder Schule.

Gemeinsam erarbeiten wir daraus einen Stundenplan:

  • Wann wird was durch wen unterrichtet, erarbeitet, geprüft und vor allem finanziert?

Ja, auch darüber muss geredet werden - denn mit Haushaltsresten und zufällig Übriggebliebenem rettet man nicht die Bildung der Kinder und Jugendlichen.

Nehmen Sie all Ihren Mut zusammen: Lassen Sie uns Kurs auf die Gegenwart nehmen.