Simone Oldenburg: Entwurf eines Gesetzes über die Lehrer*innenbildung in Mecklenburg-Vorpommern (Lehrer*innenbildungsgesetz – LehbildG M-V)

Frau Präsidentin,

sehr geehrte Damen und Herren,

die eine Bildungsministerin sagte, sie könne sich keine Lehrkräfte kaufen und die Lehrer würden auch nicht auf Bäumen wachsen. Die andere, jetzige Bildungsministerin, betonte, sie könne sich keine Lehrerinnen und Lehrer backen.

Das passiert nicht oft – aber ich stimme den Feststellungen zu.

Wir können uns weder Lehrkräfte backen, noch kaufen noch wachsen sie auf den Bäumen.

Aber wissen Sie, was wir können? Wir können sie ausbilden. Und genau das sieht unser Gesetzentwurf vor: Lehrkräfte auszubilden, ob in der ersten, zweiten oder dritten Phase, sie besser auszubilden und sie dann auch noch im Studium zu halten. Das alles hätte die Landesregierung längst machen können, denn die großen, großen Probleme in der Lehramtsausbildung sind seit Jahren bekannt, aber seit Jahren hat sich aber nicht viel getan.

Im November 2014 stellte ich die erste Kleine Anfrage zu den Studienabbrüchen im Lehramt.

Die Landesregierung antwortete, aber reagiert hat sie nicht. Januar 2016 kam dann unsere nächste Anfrage.

Im März 2016 folgt eine weitere, die erschreckende Ergebnisse offenlegte: Die Zahl der Studienanfänger sinkt, Zahl der vorzeitigen Exmatrikulationen steigt und liegt durchschnittlich bei 50 Prozent. Im Januar und im Juli 2017 folgten dann die nächsten Anfragen – die Exmatrikulationen ohne Abschluss lagen immer noch bei mehr als 50 Prozent und ein Viertel der Referendare verlässt diesen Teil der Ausbildung ohne Abschluss.

Im April, August und Oktober 2018 die nächsten Hiobsbotschaften: jeder zweite Studierende im Grundschullehramt bricht sein Studium bereits nach dem ersten Semester ab.

Die Anfrage vom Februar 2019 offenbarte, dass die vorzeitigen Exmatrikulationen von 2012 zu 2017 – von 386 auf 478 – das heißt um gut 20 Prozent gestiegen sind.

Aber sie zeigte auch, dass sich die Zahl der Referendare von 2013 zum Jahr 2018 um 180 erhöhte. Allerdings – werden von ihnen nicht einmal 50 Prozent in den Schuldienst von Mecklenburg-Vorpommern eingestellt. Und das, obwohl sich Mecklenburg-Vorpommern bereits weit unterhalb des absoluten Mindestniveaus befindet.

Im Juni und Juli 2019 brachten dann die Antworten auf die Anfragen zu Tage, dass die Zahl der Studienanfänger in vielen Fächern katastrophal ist:

in Geografie begannen lediglich 18 statt 40 ihr Studium,

in AWT 28 statt 45,

in Chemie 18 von 35,

in Informatik 17 von 50 und

in Physik sage und schreibe 9 von 35.

Daraus folgt ein Lehrermangel in all diesen Fächern.

Hinzu kommt, dass die gleiche Antwort auch Auskunft darüber gibt, dass mehr als 20 Prozent der Studierenden ihre Regelstudienzeit überschritten haben.

Im Februar, Juli und Oktober dieses Jahres fragte ich nach der angekündigten Fortsetzung der „Radisch-Studie“ und den Ergebnissen der Arbeitsgruppe. Denn das einzige, was das Ministerium bisher unternahm, um mit den unterirdischen Ergebnisse, die Professor Radisch zu Tage förderte, umzugehen, war die Gründung einer Arbeitsgruppe. Diese hat sich nach Auskunft der Landesregierung mit der Verbesserung der Eignungsabklärung der Studierenden, zum stärkeren Berufsfeldbezug und zur Verringerung der Prüfungslast befasst.

Allerding gibt es noch keine Ergebnisse, denn die Folgestudie liegt uns immer noch nicht vor, obwohl sie seit Monaten, seit über einem halben Jahr, dem Ministerium bekannt ist.

Dieses antwortete mir, dass die Vorstellung der Ergebnisse dieser Studie im dritten Quartal 2020 erfolgt.

Zur Erinnerung: Das dritte Quartal ist die Zeit zwischen Juli bis September. Wir haben Dezember – und noch immer nichts. Die Gründe liegen auf der Hand.

Sehr geehrte Damen und Herren,

so viel ist also bekannt und so wenig wurde bisher getan. Warum wird weiter zugesehen, dass ca. 40 Prozent der Studierenden im Grundschullehramt, bis zu 85 Prozent im Lehramt Regionale Schulen und bis zu 60 Prozent im Gymnasiallehramt vor Ende des Studiums hinschmeißen?

Wir wissen, dass nur fünf bis maximal zehn Prozent der Seiteneinsteiger einen Hochschulabschluss haben, aus dem sich zwei Fächer ableiten lassen, und deshalb nur für diese geringe Anzahl ein berufsbegleitender Vorbereitungsdienst in Frage kommt.

Wir wissen, dass in den letzten fünf Jahren mehr als 2000 Lehrkräfte vorzeitig aus dem Schuldienst ausgeschieden sind. Wir wissen , dass 35 Prozent der Lehrkräfte an allgemein bildenden und jeder 4. An beruflichen Schulen in Teilzeit und nicht in Vollzeit arbeitet.

Wir wissen, dass eine Million Unterrichtsstunden zur Vertretung anfallen, von denen eine viertel Million ganz und gar ausfällt.

Wir wissen, dass die Schülerzahlen jährlich steigen, die Stundenzuweisung für ihren Unterricht aber nicht proportional dazu, weil es eben zu wenige Lehrer gibt. Derzeit sind weit mehr als 200 Stellen unbesetzt.

Wir wissen, dass wir hunderte unbesetzte Referendarstellen haben – das sind hunderte Lehrkräfte, die jedes Jahr fehlen und dann im ganzen Bundesgebiet händeringend gesucht werden.

Und wir wissen um die guten Vorschläge von Professor Radisch, die Studierenden zu Beginn ihres Studiums besser zu betreuen, die Inhalte zu optimieren, die organisatorischen Studienabläufe zu verbessern und natürlich auch endlich davon wegzukommen, dass der Lehrerberuf ein Schmuddelberuf ist, dass sich ein Lehrerbashing durch die Gesellschaft zieht, das nicht mehr auszuhalten ist. Dabei müssen all diejenigen, die mit den Augen rollen, wenn sie einen zukünftigen oder noch tätigen oder ehemaligen Lehrer sehen, doch endlich mal erkennen, dass weder sie noch ihre Kinder und Enkel ohne die Lehrkräfte lesen, schreiben oder rechnen könnten. Mehr Wertschätzung aller für diesen Beruf wäre ein positives Signal.

Wir alle wissen, dass Mark Racklens, der ehemalige Staatssekretär im Bundesbildungsministerium die Kultusminister beschwört, endlich die Eigenbedarfsdeckung an den Universitäten in Angriff zu nehmen, statt sich gegenseitig die Lehrer wegzunehmen.

Er mahnt eindringlich, endlich die polyvalente Ausbildung abzuschaffen und lehramtsspezifische Angebote im Lehramtsstudium zu unterbreiten.

Ein Lehrer muss wieder Lehrer werden dürfen und nicht Germanist, Biologe oder Mathematiker.

Sehr geehrter Damen und Herren,

meine Fraktion unterbreitet mit diesem Gesetzentwurf Mecklenburg-Vorpommern einen Weg raus aus der Krise – hinein in ein besseres Lehramtsstudium, hinein in eine bessere Ausbildung der Seiteneinsteiger und hinein in eine bessere Fachberatung.

Wir möchten im Ausschuss mit Ihnen darüber diskutieren, dass man die Fachdidaktiken unbedingt aufwerten muss, um den Studierenden zu zeigen, dass es auch und gerade auf das WIE in der Vermittlung ankommt.

Wir möchten Sie davon überzeugen, dass eine Stufenlehrerausbildung zum Lehrer für die Unterstufe, Mittelstufe und Oberstufe wesentlich zielführender und erfolgreicher ist als die bisherige schulartspezifische Ausbildung.

Wir möchten Sie dafür gewinnen, den Studierenden mehr Fachberatung zu den pädagogischen und didaktischen Erfordernissen des Lehramtsstudiums vor dem Studienbeginn zu gewähren.

Wir möchten weniger Studienabbrecher und mehr Lehrer, indem wir das Referendariat verkürzen, die Mentorentätigkeit mehr wertschätzen, den eigenverantwortlichen Unterricht reduzieren und wir möchten Sie davon überzeugen, dass eine Obergrenze für Lehramtsstudienplätze kontraproduktiv ist.

Lassen Sie uns darüber im Ausschuss diskutieren und Anhörungen durchführen, damit wir gemeinsam den Lehrermangel eindämmen und eine bessere Lehrerausbildung auf den Weg bringen.