Simone Oldenburg: „Aktuelle Lage Corona-Virus“

Frau Präsidentin,

sehr geehrte Damen und Herren,

wissen wir eigentlich noch, was wir hier alles so beschlossen haben?

Wer weiß noch genau, was gerade erlaubt ist, was verboten ist?

Was darf man in einem Landkreis und was darf man nicht?

Von Juni bis März haben wir acht Regierungsanträge besprochen und beschlossen.

Von Dezember bis März – also in vier Monaten – gab es sechs Regierungserklärungen.

147 Gesetze und Rechtsverordnungen sollen uns durch die Pandemie führen:

  • von der Corona-Landesverordnung,
  • über die „SchulCoronaVerordnung“,
  • hin zur „SARS–CoV-2 Quarantäneverordnung“ und zur
  • „Pflege und Soziale Corona Verordnung“ sowie der
  • „Corona-Kindertagesförderungsverordnung“,
  • oder die „Corona-Verordnung für die Landtags- und Kommunalwahlen“
  • und so weiter und so fort.

Diese Verordnungen werden allerdings fast im Tagesrhythmus verändert, ergänzt, Sätze gestrichen oder redaktionell so überarbeitet, dass am Ende nicht immer Klarheit herrscht, sondern eben auch Wirrwarr, Chaos und Unverständnis entsteht.

Zum Beispiel wurde über Nacht die „Schul-Corona-Verordnung“ so verändert, dass der Präsenzunterricht nicht mehr nur bei einer Inzidenz von unter 100 gilt, sondern bis zu dem Wert von 150.

Und dies – ohne Rücksprache mit den Fraktionen oder dem Parlament.

Diese nächtlichen Alleingänge, sehr geehrte Abgeordnete der Fraktionen von SPD und CDU, sind keine vertrauensbildenden Maßnahmen. Nur, wenn wir auch hier in diesem Parlament glaubwürdig, nachvollziehbar und gemeinsam handeln, werden viele Menschen unseres Landes an unserer Seite bleiben.

Klares Agieren.

Klare Worte.

Absprachen einhalten und umsetzen – das ist der Weg aus der Krise.

Deshalb ist es vollkommen richtig, dass sich endlich die Bundesregierung zu einem einheitlichen Vorgehen durchgerungen hat, denn bisher hat ja jeder gemacht, was er will, aber keiner, was er soll.

Allerdings kommt dieses einheitliche Vorgehen viel zu spät. Viel zu spät für die Handlungssicherheit. Viel zu spät für die Akzeptanz bei der Bevölkerung.

Aber die zwei Grundübel werden auch mit diesem Gesetz nicht behoben.

Erstens

  • werden die Parlamente weiterhin außen vorgelassen und

Zweitens

  • zahlen jetzt wieder diejenigen die Zeche, die ohnehin schon dramatisch gebeutelt sind und deren Grundrechte immer und immer wieder auf Dauer eingeschränkt werden – nun sogar schon durch Rechtsverordnungen.

Das ist eine Gefahr für die parlamentarische Demokratie.

Und dieses Vorgehen – beständig im privaten Bereich zu beschränken und einzugreifen, hat seit 13 Monaten keinen nennenswerten Erfolg gebracht, sondern führt zur Frustration und Ablehnung. Weiterhin bleiben nämlich die beiden großen Baustellen – große Baustellen, denn weder das Impfen klappt, noch gibt es überzeugende Teststrategien.

Sehr geehrte Damen und Herren,

meine Fraktion möchte heute drei Dinge diskutieren.

Das sind:

  1. Die Umsetzung und Einhaltung der bestehenden Hygienekonzepte, besonders im Lebensmitteleinzelhandel.
  2. Die Anhebung des Kurzarbeitergeldes auf 90 Prozent und auf 100 Prozent im Niedriglohnbereich.

und

  1. Wie können wir mehr Dampf bei den Tests und dem Impfen machen?

Heißt es doch, dass der beste Gesundheitsschutz impfen, impfen, impfen und testen, testen, testen ist. Aber beim Impfen und Testen hapert es noch gewaltig. Hier muss aufgeräumt werden. So, wie die derzeitige Situation ist, werden Ängste und Unsicherheit nicht genommen, sondern auch geschürt.

Heute Astrazeneca für unter 60-Jährige.

Morgen wird das Impfen damit ausgesetzt.

Übermorgen dürfen dann nicht mehr unter 60-Jährige, sondern nur noch über 60-Jährige damit geimpft werden.

Das stärkt genauso wenig das Vertrauen wie der Umstand, dass Mecklenburg-Vorpommern vom Impf-Spitzenreiter zum Tabellenletzten abgestiegen ist, alle anderen Bundesländer an uns vorbeiziehen und wir ihnen bedröppelt hinterherschauen. Das ist umso unverständlicher, weil wir nicht weniger Impfstoff bekommen als die anderen Länder, sondern bei der Impfstoffzuteilung im Bundesdurchschnitt liegen. Dieses Problem ist hausgemacht.

Jeden Tag neue Meldungen darüber,

  • wie viele Impfdosen wann geliefert werden,
  • wie wenige davon an die Hausärzte gehen,
  • dass bei der Impfhotline fünf Stunden Warteschleife das Normale sein sollen,
  • das Durcheinander bei den Impfungen in den Heimen:

Ende Februar wurde gesagt, die Impfungen seien fast abgeschlossen,

Ende März waren sie laut Gesundheitsminister abgeschlossen,

jetzt aber - nach Angaben des eigenen Landesamtes – finden täglich noch hunderte Erst- und Zweitimpfungen statt und

mehr als 8000 Bewohnerinnen und Bewohner warten noch auf ihre Impfung.

 Aber auch das Online-Portal wartet mit Schwierigkeiten auf: fast 40.000 Personen haben sich angemeldet, aber nur 7000 Impftermine wurden vergeben, weil die Impfzentren ihre Termine nur für eine Woche freigeschaltet haben.

Da zeigt sich wieder einmal, dass es sich immer gut macht, wenn man miteinander redet.

Und erst recht, bevor Neuerungen und Änderungen erfolgen, die ja auch wirklich sinnvoll sind.

Wenn man also mit den Kreisen und kreisfreien Städten gesprochen hätte, hätte man ihnen durchaus das Geheimnis verraten können, dass es gut wäre, wenn sie ihre Impftermine für mehr als eine Woche freischalten.

Wir alle haben die Aufgabe, die Richtung vorzugeben und verlässlich zu handeln – Umwege und Zickzack-Kurse müssen vermieden werden.

So bekommen wir nämlich keinen Schwung in das Impfen. Aber sehr wohl, wenn wir die Hausärzte tatsächlich einbeziehen, in ihre Praxen den Schwerpunkt des Impfens legen und ihnen eben nicht mehr nur diese Handvoll Dosen geben, sondern sie zum Haupt-Impfer machen und endlich ein Online-Terminbuchungs-Portal – wie es andere Bundesländer bereits haben – einführen. Nur so kommen wir besser in die Fläche, nur so können wir Menschenansammlungen an Impfzentren vermeiden.

Denn der Ostermontag-Impftermin in Wismar hat genau das hervorgebracht, was verboten ist: Fast 800 Menschen, die dicht an dicht mehrere Stunden in der Schlange gestanden haben, um sich mit Astrazeneca impfen zu lassen.

Es ist vollkommen richtig, dass die Ministerpräsidentin den Kreisen und kreisfreien Städten – Dampf macht, alles an Astrazeneca zu verimpfen, was die Kühlschränke hergeben.

Aber bitte nicht als Schlussverkauf-Veranstaltung, sondern geordnet.

Es ist allerdings auch verkehrt, wenn sich die Kommunen hier nicht an die Absprachen halten und keine oder wenige zusätzliche Impfmöglichkeiten schaffen.

Jede einzelne Impfung ist Schutz.

Jede einzelne Impfung hilft uns allen aus dieser schrecklichen Krise.

Jede einzelne Impfung ist ein Schritt in ein lebenswerteres Leben.

Deshalb ist es so wichtig, dass meine Fraktion mit ihrer Forderung nach Notzulassung

des Impfstoffes „Sputnik V“ nicht alleine ist, sondern der Gesundheitsminister und die Ministerpräsidentin hier wirklich Vorreiter sind, den Impfstoff optionieren und somit neue Wege gehen, um die Corona-Gefahr zu bannen.

Hier auszuscheren, wenn weder die EU noch der Bund in die Puschen kommen, das ist vollkommen richtig, denn es darf keine ideologischen Vorbehalte gegen welche Medizin auch immer geben. Es muss endlich egal sein, ob der Impfstoff aus Oxford, Moskau oder Mainz kommt. Das einzige, was zählt, ist seine Wirksamkeit.

Sehr geehrte Damen und Herren,

so viel zum Impfen, impfen, impfen – jetzt geht es ums testen, testen, testen:

Ja, testen ist wichtig, aber hier läuft ganz gehörig etwas schief:

Zuerst fehlten Tests – jetzt fehlt die Strategie.

  • Seit Montag gibt es keine Testungen mehr beim Kinder- und Jugendvereinssport.
  • An diesem Vereinssport können alle Kinder und Jugendlichen bis zum 20. Lebensjahr teilnehmen, die Präsenzunterricht haben.
  • Seit Donnerstag letzter Woche bedeutet dies, dass alle Schülerinnen und Schüler in allen Schularten und bei allen Unterrichtsformen bis zu einem Inzidenzwert von 149,9 der Präsenzpflicht unterliegen.
  • Diese Schülerinnen und Schüler können sich zweimal pro Woche testen – entweder zu Hause oder in der Schule.
  • Kinder und Jugendliche sollen sich richtiger Weise an den Schulen testen lassen, aber beim Vereinssport nicht?
  • Wenn diese Kinder und Jugendlichen dann aber mit ihren Eltern oder Großeltern Schuhe oder Hosen kaufen wollen, müssen sie einen Test vorweisen – egal in welchem Alter diese Kinder sind, denn die Testpflicht kennt kein Alter.
  • Also muss sich ein dreijähriges Kind testen lassen, wenn es mit seinen Eltern in einem leeren Schuhladen einkauft – aber nicht, wenn es seinen vollen Kindergarten besucht und nicht, wenn es zum Kinderturnen mit zehn oder noch mehr Kindern geht.

Um das Chaos noch zu verdeutlichen, erzähle ich mal kurz von einem Jugendlichen, der mir äußerst nahesteht:

Am Mittwoch letzter Woche zum Test, weil eine Fahrstunde vor der Tür stand.

Donnerstag früh zur Schule: Selbsttest.

16 Uhr – am gleichen Donnerstag – zum Testzentrum, weil am nächsten Vormittag die Fahrprüfung stattfand.

Drei Tests in 26 Stunden – das ist schlicht Quatsch. Das kann und muss man ändern.

Deshalb schlagen wir vor, dass das Bildungsministerium den Schulen Bescheinigungen zur Verfügung stellt, die dort ausgefüllt werden, damit die Kinder und Jugendlichen an dem Tag des Selbsttests einkaufen gehen können, zur Fahrschule können und in den Jugendclub oder zum Vereinssport.

Das Gleiche soll auch für die Lehrerinnen und Lehrer, für Erzieherinnen und Erzieher gelten, die an den Schulen oder Einrichtungen getestet werden – auch sie sollen ein Zertifikat erhalten, um ihre Termine wahrzunehmen, ohne sich am gleichen Tag nochmals testen lassen zu müssen.

Die derzeitige „Testomanie“ führt weder zur Akzeptanz noch zu Vertrauen. Es mangelt nicht nur an einer Logik, sondern auch an Testmöglichkeiten. Hier allein auf Aktivitäten von Privatpersonen oder Kommunen zu setzen – ist nicht richtig. Das Land muss den Aufbau der Testzentren aktiv unterstützen und organisieren, ob es Testboxen, Testzelte oder Test-Cafés sind.

Wichtig für den ländlichen Raum sind auch mobile Testmöglichkeiten.

Auf die Dörfer kommen das „Bäcker-Auto“ oder das „Gemüse-Auto.“ Warum soll nicht auch das „Test-Auto“ über Land fahren und die Bevölkerung im wahrsten Sinnen des Wortes versorgen“.

Sehr geehrte Damen und Herren,

13 Monate Corona – sind auch nicht selten 13 Monate Kurzarbeit.

Die Luft für diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer war schon zu Beginn der Kurzarbeit dünn – jetzt wird sie täglich dünner.

Hier müssen wir nachsteuern. Deshalb fordern wir die Anhebung auf 100 Prozent für die Niedriglöhne und auf 90 Prozent für alle anderen Bereiche.

Eine Köchin in MV verdient rund 1900 Euro, eine Textilverkäuferin ca. 1800 Euro, eine Restaurantfachfrau 1400 Euro – sie bekommen ab dem 4. Monat 70 Prozent und ab dem 7. Monat 80 Prozent.

20 oder 30 Prozent weniger Lohn, aber 100 Prozent Miete, 100 Prozent bei Versicherungen, 100 Prozent und mehr bei Lebensmitteln.

Dass das Kurzarbeitergeld nicht ausreicht und in die Armut führt – darf man nicht verschweigen.

Es ist unsere Aufgabe, hier gegenzusteuern, um Armut zu verhindern und das Leben zu sichern.

Tausende Frauen und Männer sind von dieser langen Kurzarbeiterzeit gerade in unserem Bundesland, in der Hotellerie oder Gastronomie betroffen. Ihnen müssen wir helfen, für sie fordern wir die Landesregierung auf, sich im Bund für diese Frauen und Männer und für ihre Familien stark zu machen. Sie leiden besonders unter der Krise, sie verarmen.

Leider gibt es auch Beispiele, dass Menschen nicht nur an der Krise verdienen, sondern sich sogar an der Pandemie bereichern.

Millionen Euro Steuergeld, haben sich

  • Nikolaus Löbel,
  • Axel Fischer,
  • Mark Hauptmann,
  • Georg Nüßlein in die eigenen Taschen gewirtschaftet, statt sie in höhere Renten und Löhne zu stecken.

Nicht die Gesundheit der Menschen steht für diese Politiker an erster Stelle, sondern Eigennutz, Reibach und persönliche Bereicherung.

Pfui, Teufel.

Es ist durchaus in Ordnung, in Zeiten knapper Schutzmaterialien und Medikamente die Verbindung in die Politik zu suchen, die vermitteln kann, um eben die fehlenden Utensilien zu besorgen und damit die Menschen zu versorgen und zu schützen.

Aber es ist eine riesige Sauerei, wenn das politische Insiderwissen schamlos ausgenutzt wird, um an der Vermittlung und der Beschaffung durch Provisionen in Millionenhöhe die Preise ins Unermessliche zu treiben und sich so auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bereichert und die Not des Staates dermaßen ausnutzt, um hunderttausende Euro zu erbeuten.

Diese Millionen gehören nicht in die Taschen der Männer, sondern in die der Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter.

Und diese Politiker haben in den Parlamenten nichts verloren.

Sie schaden der Demokratie.

Sie schaden der Gesellschaft.

Sie schaden dem Vertrauen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Vertrauen erreichen wir auch, wenn endlich die Einhaltung längst bestehender Regelungen umgesetzt wird. Denn seit 13 Monaten gelten auch die Kontaktbeschränkungen im Einzelhandel.

Es gilt 1 Person auf 20 bzw. 10 Quadratmeter. Nichts davon wurde zurückgenommen oder geändert, aber kaum ein Supermarkt hält sich noch daran. Keine Begrenzung der Korb-Anzahl, viel zu wenig Desinfektionsmittel – das darf so nicht bleiben.

Einerseits wird die Testpflicht für halb leere und leere Geschäfte eingeführt, andererseits können sich hunderte bei Real oder Kaufland oder, oder, oder aufhalten.

Einerseits darf ich mich zu Hause mit maximal vier Personen treffen, andererseits darf ich es mir an der Käsetheke mit 20 Personen und mehr gemütlich machen.

Vor einem Supermarkt stehen ca. 400 Körbe – keiner weniger als vor der Pandemie, aber wieder 200 mehr als zu Beginn der Corona-Krise. Und das, obwohl weiterhin die Beschränkungen gelten, dass sich eben nur eine gewisse Personenanzahl zur gleichen Zeit im gleichen Markt zum Einkaufen aufhalten darf. Das muss wieder durchgesetzt und auch kontrolliert werden.

Sehr geehrte Damen und Herren,

lassen Sie uns gemeinsam Dampf machen.

Wir müssen uns sputen, um besser und schneller zu werden.

Geben wir damit den Frauen, Männern und Familien mehr Sicherheit und mehr Schutz, dann geben sie uns auch weiterhin ihr Vertrauen.