Michael Noetzel: Klare Linie gegen Rechtsextremismus, gegen Gewalt und gegen die Feinde unseres Grundgesetzes  

TOP 13 

Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und DIE LINKE 

Klare Linie gegen Rechtsextremismus, gegen Gewalt und gegen die Feinde unseres Grundgesetzes  

- Drucksache 8/524 - 

Frau Präsidentin,

meine Damen und Herren, 

 

ein friedvolles und demokratisches Miteinander ist keine Selbstverständlichkeit. 

Humanistische Grundwerte, gegenseitiger Respekt und eine vielfältige Gesellschaft müssen jeden Tag neu gelebt und immer wieder aufs Neue verteidigt werden. Dafür setzen wir uns als Koalition ein und das wollen wir mit dem vorliegenden Antrag unterstreichen.  Wie wichtig und richtig dieser Antrag ist, zeigt die heutige bundesweite Durchsuchungswelle gegen höchst gewalttätige und kriminelle Neonazigruppierungen.  Auch nach Mecklenburg-Vorpommern spinnen die Rechtsterroristen in spe ihre Fäden, wie die Durchsuchungen in Demmin, Güstrow und Pasewalk zeigen. Insbesondere das militante ‚Combat 18‘-Netzwerk verbreitet eine mörderische Propaganda, terroristische Konzepte und wurde in der Vergangenheit mehrfach mit tödlichen Anschlägen in Verbindung gebracht. Aus diesem Grund werden wir uns mit dieser Gruppierung auch im aktuellen NSU-Untersuchungsausschuss beschäftigen. 

 

Meine Damen und Herren, 

 

es ist die extreme Rechte, die unsere Demokratie aus dem Inneren heraus bedroht. Es sind Rassisten, Neonazis, Reichsbürger und andere Menschenfeinde vom rechten Rand, die diese Gesellschaft ins Fadenkreuz genommen haben. Mit Gewalt wollen sie das System zu Fall bringen und auf dem Weg dorthin trifft diese Gewalt potenziell jede und jeden, der nicht ins eingeschränkte braune Weltbild passt. Wie alltäglich dieser Hass ist, zeigen die Zahlen, die erst kürzlich von LOBBI veröffentlicht wurden. 66 Angriffe mit mehr als 100 Betroffenen registrierte die Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt im vergangenen Jahr. Wir wissen nicht, wie hoch die Dunkelziffer neonazistischer Angriffe ist, aber allein diese Zahlen bedeuten, dass jede Woche mindestens ein Mensch aus rassistischen, antisemitischen, homophoben oder politischen Motiven in Mecklenburg-Vorpommern angegriffen wurde.  

Auch wenn die Zahlen im Hellfeld im Vergleich zu den Vorjahren gesunken sind, dürfen wir das nicht als Normalität hinnehmen. Wir sind alle gefordert, immer dann einzuschreiten, wenn die Menschenfeinde vom rechten Rand ihrem Hass freien Lauf lassen. Und ich danke allen zivilgesellschaftlichen, demokratischen und antifaschistischen Initiativen, die das aus tiefster Überzeugung tun. 

 

Meine Damen und Herren, 

 

diese Verantwortung liegt aber nicht nur bei jedem Einzelnen. Auch der Staat muss sich wehrhaft zeigen, wenn er von rechts attackiert wird. Und wir als Gesetzgeber müssen die hierfür notwendigen Weichen stellen. Was mich besonders besorgt: mehr als 520 Waffen in den Händen von Neonazis, Rassisten und Reichsbürgern. Trotz NSU, trotz Halle, Kassel und Hanau. Trotz mehr als 200 Todesopfern rechter Gewalt seit 1990. Eine Zahl, auf die sich inzwischen sogar der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, beruft. [Bundespressekonferenz 15.03.22]  

Trotz dieser tödlichen Dimension gestatten wir in Mecklenburg-Vorpommern mehr als 60 Demokratie- und Menschenfeinden vom rechten Rand, sich zu bewaffnen. Und ich kann es nicht anders bezeichnen, aber das trägt schon schizophrene Züge. Jene Fanatiker, die sich auf den Tag X, also den Umsturz der demokratischen Ordnung vorbereiten, rüsten sich mit behördlicher Genehmigung auf. Das können und das werden wir nicht länger hinnehmen. 

 

Meine Damen und Herren, 

 

die Behörden – und das gilt insbesondere auch für die alte Hausspitze im Innenministerium – waren zu nachlässig – vielleicht auch einfach nur zu fahrlässig –, was die Entwaffnung der rechten Szene angeht. Laut Kleinen Anfragen meines Kollegen Peter Ritter hat sich die Zahl legaler rechtsextremer Waffenbesitzer zwischen 2018 und 2021 mehr als verdoppelt. Dazu kamen jeweils noch bewaffnete Reichsbürger und Selbstverwalter. Und hier reden wir nur von den registrierten Waffenbesitzkarten und legalen Waffen. Die Zahl der illegalen Waffen kennen wir nicht. Wir wissen aber sehr wohl von entsprechenden Schwarzmärkten innerhalb der Neonazi-Szene und erfahren in trauriger Regelmäßigkeit von immer neuen Waffen- und Munitionsdepots im Kreise der Tag-X-Fanatiker. Ich erinnere nur an den Fund hunderter Waffen in Österreich in den vergangenen Monaten, die mutmaßlich für deutsche Neonazis gedacht waren. Und erinnern wir uns nur kurz an die schiere Unzahl an Waffen und Munition, die bei Durchsuchungen im Nordkreuz-Netzwerk sichergestellt wurde. Und ich halte es auch hier für äußerst fahrlässig, dass es erst seit dem Sommer 2020 – also drei Jahre nach den ersten Durchsuchungen – zaghafte Versuche gab, den Nordkreuzlern die Waffen zu entziehen. Da müssen alle Behörden wachsamer sein und besser zusammenarbeiten. Sich hier allein auf den Verfassungsschutz zu verlassen, der in den vergangenen Jahren selbst durch fragwürdige Prioritäten und Praxen in der Öffentlichkeit stand, kann hierbei keine Lösung sein. Aber wir unterstützen das Innenministerium bei dem Vorhaben, diese tickenden Zeitbomben zu entschärfen. 

 

 

 

Meine Damen und Herren, 

 

ich denke, die demokratischen Fraktionen in diesem Hause sind sich einig: Genauso wenig, wie Waffen in die privaten Hände von Demokratiefeinden gehören, sollten sie im Dienst Zugang zu Waffen haben. Es ist doch allgemein nur schwer zu erklären, dass Personen im Dienste des Staates stehen, durch die öffentliche Hand beschäftigt werden, aber durch ihr Handeln unsere Demokratie verächtlich machen. Bislang gewinnen wir immer öfter den Eindruck, dass das Beamten- und Disziplinarrecht an dieser Stelle zu nachsichtig ist. JA - es darf keine Neuauflage des Radikalenerlasses der 1970er Jahre geben. Aber wer durch sein belegbares Handeln, seine wiederholten Äußerungen oder seine herausgehobene Stellung in einer verfassungsfeindlichen Organisation seine Demokratiefeindlichkeit belegt, muss auch aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden können. Das muss – vor dem Hintergrund der jüngsten Entscheidung des Kölner Verwaltungsgerichts – auch für Vertreter der AfD gelten, die nicht nur für Selfies, sondern auch ideologisch gerne mal mit Björn Höcke kuscheln, dem Dritten Reich huldigen und nachdem sie sich in den Parlamenten ausgehetzt haben, wieder Richterämter, Professorenstellen oder einen Streifenwagen besetzen wollen.  

 

 Meine Damen und Herren, 

 

lassen Sie mich auch kurz was zu einer weiteren wichtigen Herausforderung sagen. Der extrem rechten Szene muss der Geldhahn abgedreht werden. Konzerte, insbesondere solche, die als politische Versammlungen oder private Feiern getarnt werden, dürfen nicht länger Geld in die braunen Kriegskassen spülen. Aber auch mit Merchandise-Artikeln und rechter Hasspropaganda verdienen Neonazis seit den 1990er Jahren ihr Geld in Mecklenburg-Vorpommern. In den vergangenen Jahren konnte sich hier jedoch gleich ein gesamtes braunes Firmengeflecht etablieren, mit dem auf vermeintlich legalem Weg Gelder akquiriert werden können. Identitäre geben sich als Finanzdienstleister und Grafikdesigner. Neonazis bieten ihre Handwerkerdienste an: ob als Abrissunternehmen, Maurer, Dachdecker, Tischler oder Grünpfleger. So bestreiten sie ihren Lebensunterhalt und lassen Gelder auch in die Szene fließen, indem Immobilien gekauft oder gemietet und zu Szene-Treffpunkten ausgebaut werden. Diese schützen wiederum vor staatlichen Zugriffen, wenn dort Konzerte oder andere Propagandaveranstaltungen ausgerichtet werden. Dieser Kreislauf muss durchbrochen werden. Dank antifaschistischer Recherche und investigativem Journalismus ist das Wissen über die braunen Strippenzieher und ihrer Finanzierungsquellen da. Hier braucht es jedoch noch mehr Aufklärung in der Öffentlichkeit. Aber vermutlich lohnt sich bei all den genannten Finanzströmen innerhalb der rechten Szene – ganz nach der Al-Capone-Methode – auch eine regelmäßige Prüfung durch das Finanzamt. Denn wir können davon ausgehen, dass die Szene gerne Schwarzgelder zur freien Verwendung hat.  

 

Meine Damen und Herren der demokratischen Fraktionen, 

 

wie Sie sehen, wir brauchen ein entschlossenes Vorgehen und eine klare Linie gegen Demokratiefeinde und die extreme Rechte. Dieser Antrag wird nur ein erster Schritt sein.

Im Namen der Koalitionsfraktionen bitte ich Sie um Unterstützung auf diesem Weg und Zustimmung zu unserem Antrag.  Vielen Dank.