Maßnahmen zur Arbeits- und Fachkräftesicherung auf den Weg bringen

Christian Albrecht

Frau Präsidentin,
meine Damen und Herren,
das Thema dieses CDU-Antrages begleitet den Landtag nun schon seit vielen Jahren. Aufgrund
demografischer Prognosen war lange absehbar, dass die Rekrutierung von Arbeits- und
Fachkräften die Unternehmen im Land vor neue Herausforderungen stellen wird.
Schon vor 10 Jahren drangen Klagen an das Ohr der Landespolitik, denn allenthalben
bemerkten Personalabteilungen und Geschäftsführungen in Unternehmen unterschiedlichster
Größe die Abnahme eingehender Bewerbungen. Die Zeiten, da man potentiellen Beschäftigten
mit Blick auf die Arbeitslosenzahlen Arbeits- und Entgeltbedingungen frei nach dem Motto
„wenn Sie den Job nicht wollen, da draußen stehen zehn andere“ diktieren konnte, gingen schon
damals zu Ende.
Heute ist der Arbeits- und Fachkräftemangel in vielen Bereichen angekommen. Vorbei sind die
Zeiten, wo sich die Bewerbungsunterlagen auf den Schreibtischen stapelten und Bestenauslese
betrieben werden konnte. Tatsächlich reden wir heute über kein neues Thema, auch wenn der
CDU-Antrag das wohl suggerieren soll.
Denn dort muss man lesen, „Neben einer gesicherten und bezahlbaren Energieversorgung zählt
aktuell die Arbeits- und Fachkräftesicherung zu den Hauptproblemen der Unternehmen in
unserem Land.“

Meine Damen und Herren,
aktuell im Sinne von neu ist daran schlicht gar nichts. Um das zu belegen, zitiere ich beispielhaft
aus einem 10 Jahre alten Papier der Sozialpartner DGB und VU. Dort heißt es: „Der
demografische Wandel berührt unmittelbar das Arbeitskräfteangebot und damit die
Leistungsfähigkeit der Wirtschaft ebenso wie die Sozialsysteme in Mecklenburg-Vorpommern.
Bereits heute fehlen in einigen Branchen gut ausgebildete Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer. Um dem entgegenzuwirken, wurde am 31.01.2011 das Fachkräftebündnis für
Mecklenburg-Vorpommern geschlossen.
Ziel ist die Identifizierung, Erschließung und Sicherung eines ausreichenden und gut
qualifizierten Fachkräfteangebotes.“. Mehr als 12 Jahre sind seitdem ins Land gegangen. Und
da sei dann doch mal die Frage gestattet, wer mehr als 10 Jahre davon das
Wirtschaftsministerium geführt hat. Ich muss aber gar nicht auf das Fachkräftebündnis Bezug
nehmen. Genauso gut könnte ich die Konjunkturumfragen von Handwerkskammern und IHK
aus dem Jahr 2019 bemühen. Auch dort ist das Thema Fachkräftemangel als TOP 1 der
Herausforderungen genannt. Insofern stelle ich fest, wir haben kein Erkenntnis- sondern ein
Umsetzungsproblem. Und das liegt auch am Agieren der CDU in den letzten Jahren, Herr
Kollege Waldmüller.
Ich möchte das auch gern belegen. Aus ideologischen oder sonstigen Gründen, betrachten Sie
das Thema Beseitigung des Arbeits- und Fachkräftemangels seit Jahren eindimensional. Ja,
Politik ist für die Schaffung guter Rahmenbedingungen verantwortlich, da sind selbst wir beide
uns einig. Aber der entscheidende Faktor bei der Arbeits- und Fachkräftesicherung sind die
Unternehmen selbst. So sieht die korrekte Rollenverteilung aus und genauso agiert die rot-rote
Landesregierung auch. Wir wollen das Image des Niedriglohnlandes endlich ablegen.
Wir wollen M-V zum Land der guten Arbeit weiterentwickeln.
Bei uns stehen faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen im Mittelpunkt. Wir schaffen mit der
neu aufgestellten Wirtschaftsförderung, der Absicherung der kostenlosen Kinderbetreuung in
Kita und Hort, mit einem fortschrittlichen Tariftreuegesetz oder auch mit der gebotenen
Wertschätzung für die betriebliche Mitbestimmung einen entsprechenden Rahmen dafür. Denn
wir können es uns künftig nicht mehr leisten, dass Schulabgänger sowie gut ausgebildete
Arbeits- und Fachkräfte in signifikanter Zahl dem Land den Rücken kehren oder Richtung
Westen auspendeln.
Als Linksfraktion unterstützen wir ausdrücklich die Bemühungen des DGB um eine neue
Sozialpartnerinitiative „Tarifbindung und Mitbestimmung“. Dabei können Sie uns gern
unterstützen und auf die VU und sowie den AGV Nord einwirken, damit den im
industriepolitischen Konzept vereinbarten „gemeinsamen strategischen Sozialpartnerinitiativen
zur Erhöhung der Tarifbindung in den Branchen“ nun auch endlich einmal Taten folgen. Wenn
das messbar gelänge, dann müssten wir in Zukunft vielleicht auch gar keine staatliche
Regulierung mit Blick auf Mindestlöhne mehr diskutieren.
Arbeits- und Fachkräfte verlassen uns übrigens nicht aus Jux und Dallerei, dafür gibt es
handfeste Gründe. Die Bruttolöhne hierzulande liegen aktuell rund 15 Prozent unter dem
Bundesschnitt. Der Nordosten hat immer noch die rote Laterne unter den Bundesländern inne.
Dabei gibt es signifikante Unterschiede zwischen den Branchen. Im verarbeitenden Gewerbe
und im Dienstleistungsbereich sind die Lohnabstände mit rund 30 Prozent besonders auffällig.
Die Prognosen zur sinkenden Zahl der Erwerbspersonen und den sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten sind beunruhigend. Der Wettbewerb um Arbeits- und Fachkräfte nimmt immer
mehr kannibalistische Züge an und wird sich weiter verschärfen. Tarifverträge sind ein probates
Mittel dagegen, denn dort wo sie gelten, ist der Lohnunterschied zwischen Ost und West
vielfach nicht mehr vorhanden.
Auch an den Arbeitsbedingungen kann, ja muss man arbeiten. Natürlich kann man auf
parlamentarischen Abenden die Forderung der jungen Generation nach einer gesunden Work
Life Balance beklagen, Herr Waldmüller, nur ändern tun Sie damit gar nichts. Und wenn Sie
stattdessen wieder flexiblere Arbeitszeitmodelle zu fordern, lässt das nicht nur mich
argwöhnen. Mich würde interessieren, ob Sie ernsthaft glauben, mit der Abschaffung des
Achtstundentages und der Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre die Arbeits- und
Fachkräftebedarfe im Tourismus, zum Beispiel in der Hotellerie und Gastronomie lösen zu
können.
Solche Ideen und Konzepte aus dem letzten Jahrhundert sind nach meiner Auffassung mit den
Ideen, Wünschen und Vorstellungen der jungen Generation von heute schwerlich zusammen
zu bringen. Deren Vorstellungen gehen eher Richtung 4-Tage Woche bei vollem
Lohnausgleich. Man darf das durchaus auch kritisch beleuchten, nur wird das ja nichts daran
ändern, dass wir die jungen Leute von heute als Arbeits- und Fachkräfte benötigen. Wir können
uns ja keine anderen backen.
Anderswo ist man da aufgeschlossener. Ich verweise an dieser Stelle einmal auf Studien und
Feldversuche dazu u.a. in Island und Spanien.
Dort wurde bereits erfolgreich gezeigt, dass bei einer Reduzierung der Arbeitszeit um bis zu 20
Prozent ohne Absenkung des Entgeltes eine Steigerung von Motivation und Produktivität
erreicht werden konnte. Die meisten Unternehmen profitierten davon und konnten ihre
Fachkräfte längerfristig an sich binden Kommen wir zum letzten Punkt Ihres Antrages.
Offensichtlich haben Sie die vielen Handwerksanträge der AfD nervös gemacht, denn nun
fordern auch Sie eine Landesprämie, diesmal in Höhe von 120 Euro für Praktika von
Schülerinnen und Schülern im Handwerk während der Ferien. Und deshalb kann ich Ihnen auch
nur genau das gleiche sagen, wie der AfD-Fraktion bei ähnlich gelagerten Initiativen.
Welche Begründung gibt es denn dafür? Erstens, wenn wir uns die TOP 5 der unbesetzten
Ausbildungsplätze ansehen, dann stehen ganz oben zum Beispiel Köchinnen und Köche und
Verkäuferinnen und Verkäufer. Diese Branchen würden zurecht fragen, warum es die
Landesprämie ausschließlich in Handwerksberufen gibt.
Und zum zweiten, bleibe ich dabei, die Sicherung von Fachkräften ist zunächst vornehmste
Aufgabe der Unternehmen selbst. Wer hindert diese denn daran, im Schülerpraktikum eine
Praktikumsvergütung zu zahlen. Richtig, niemand.

Meine Damen und Herren,
LINKE und SPD arbeiten gemeinsam mit den Sozialpartnern an verbesserten
Rahmenbedingungen für die Arbeits- und Fachkräftesicherung. Seit Beginn der Wahlperiode
wird an einer Fachkräftestrategie gearbeitet. Und zwar nicht, indem man ein externes
Unternehmen damit beauftragt, etwas für die Schublade aufzuschreiben. Zahlreiche Workshops
wurden bereits durchgeführt und münden in konkrete Maßnahmen.
Weiterbildungsverbünde, Verknüpfung von Career Services und Welcome Centern,
Infokampagne Berufsausbildung in M-V, Career Week oder die finanzielle Unterstützung von
Schülerfirmen, alles Beispiele dafür, dass Sie reden und wir handeln.
Den Antrag lehnen wir ab.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.