Jacqueline Bernhardt:Rechtsstaat gilt auch in Pandemie-Zeiten

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

meine Damen und Herren,

von der AfD liegt uns heute einen Antrag mit dem Titel „Rechtsstaat gilt auch in Pandemie-Zeiten“ vor. Dieser Titel ist etwas irreführend. Er suggeriert, dass wir aktuell ein rechtsstaatliches Problem in der Bundesrepublik Deutschland hätten. Das ist jedoch nicht der Fall. Darauf möchte ich noch mal ganz deutlich hinweisen.

Das beste Beispiel hierfür ist, die Entscheidung des OVG Greifswald in der letzten Woche zu den Ausgangbeschränkungen der Corona-Landesverordnung. Derartige Entscheidungen sind kein Zeichen dafür, dass der Rechtsstaat versagt hat, sie sind ein Zeichen dafür, wie gut er tatsächlich funktioniert. Denn dafür sind Gerichte nun einmal da.

Inhaltlich zielt der vorliegende Antrag darauf ab, die Landesregierung dazu aufzufordern, eine Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht gegen die jüngsten Änderungen des Bundesinfektionsschutzgesetzes zu erheben.

Begründet soll die Klage damit werden, dass die Regelungen zur sogenannten Notbremse lediglich an die Sieben-Tage-Inzidenz anknüpfen.

Meine Herren von der AfD,

diesen Antrag lehnen wir ab. Und das hat zwei Gründe.

Zunächst hätte eine solche Klage mit dieser Begründung nach unserer Ansicht keine Aussicht auf Erfolg. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie wurden in Deutschland mehrere tausend Gerichtsverfahren in Zusammenhang mit Bezug zu Corona geführt. Die Kopplung von Regelungen an die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz wurde dabei bisher nicht beanstandet.

Man kann über diese Inzidenz fachlich streiten. Muss man nicht die Zahl der Geimpften berücksichtigen? Ist es nicht besser, an eine Inzidenz in Bezug auf die belegten Intensivbetten in den Krankenhäusern anzuknüpfen? Da kann man drüber streiten, man kann es auch politisch ablehnen. Es ist aber rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Gesetzgeber hat beim Erlass von Gesetzen eine Einschätzungsprärogative. Und diese ist nur sehr eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Rechtlich problematisch wird es erst dann, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz objektiv untauglich oder absolut ungeeignet wäre, als Anknüpfungspunkt zu dienen. Und das ist nach unserer Ansicht nicht der Fall.

Wir knüpfen Regelungen zur Eindämmung des Pandemiegeschehens bereits seit beinahe einem Jahr an die Sieben-Tage-Inzidenz und es hat sich gezeigt, dass an dieses Kriterium geknüpfte Maßnahmen durchaus geeignet sind, Einfluss auf das Infektionsgeschehen zu nehmen. Insofern ist das zumindest rechtlich nicht zu beanstanden.

Zum zweiten sehe ich auch selbst wenn ich Ihre Position teilen würde keine Notwendigkeit, ein solches Normenkontrollverfahren anzustrengen. Dem Bundesverfassungsgericht liegen in dieser Sache bereits zahlreiche Anträge vor. Ende letzter Woche las ich etwas von über 200 Verfahren. So wie ich das vernommen habe, wird beinahe jeder Punkt des Gesetzes angegriffen. Wir können uns also sicher sein, dass wir in den nächsten Wochen eine ziemlich ausführliche Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts bekommen werden, was aktuell im Bezug auf die Pandemie-Bekämpfung zulässig ist oder nicht.

Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass eine zusätzliche Klage die bereits anhängigen Verfahren beschleunigen würde. Sie würde dem Bundesverfassungsgericht zusätzliche Arbeit verschaffen und im Zweifel bestimmte Entscheidungen sogar verzögern.

Meine Herren von der AfD,

dieser Antrag ist reiner Aktionismus. Er ist nicht zielführend und deshalb abzulehnen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.