Jacqueline Bernhardt: „Zukunft gestalten - Freiheit der Kinder und Jugendlichen bewahren und Familien fördern“

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin,

sehr geehrte Damen und Herren,

wir führen heute die Aktuelle Stunde zu dem Thema der AfD „Zukunft gestalten – Freiheit der Kinder und Jugendlichen bewahren und Familien fördern“.

Als ich den Titel gelesen habe, dachte ich mir, dass ist ein sehr weiter Titel und kann alles umfassen. Aufgrund Ihrer Anträge im Januar und Februar im Landtag geht es Ihnen um die Aufhebung aller Corona-Maßnahmen bei den Kindern und Jugendlichen.

Im ersten Moment klingt das sehr verlockend.

Ja, wir alle wünschen uns die Freiheiten der Kinder und Jugendlichen zurück.

Dass unsere Kinder und Jugendlichen wieder unbeschwert in die Kita, zur Tagespflege oder in die Schule gehen können – ohne Distanz zu den ErzieherInnen zu bewahren.

Dass die ErzieherInnen Kinder einfach mal in den Arm nehmen können, wenn sie hingefallen oder traurig sind, wenn sie sich mit den Freunden streiten.

Dass sie zur Schule oder Kita gehen können und all ihre Freunde treffen können.

Dass sie in ihrer Freizeit oder in den Ferien in den Jugendclub können, um ihre Freunde zu treffen.

Dass sie ihren Abschluss machen können, ohne sich zu fragen, ob der Test vorher positiv oder negativ ist.

Dass sie ohne Maske zur Schule, in die Kita können.

Dass sie ihre Ausbildung ungestört machen können, ohne sich zu fragen, kann ich zur Berufsschule oder muss ich mir den Stoff zu Hause allein erarbeiten.

Die Kinder und Jugendlichen sind die Hauptleidtragenden der Krise.

Jedem von uns blutet das Herz, wenn wir lesen, dass Kinder vereinsamen.

Wenn wir nur erahnen können, dass Kinder und Jugendliche aktuell durch die Coronakrise und den damit verbundenen Problemen in den Familien stärker von Gewalt und von Kindeswohlgefährdungen betroffen sind.

Es ist ihre Bildung, die in der Kita und Schule auf der Strecke bleibt.

Da klingen ihre Forderungen nach - Freiheiten für die Kinder und Jugendlichen bewahren oder wie Sie am 24.2.2021 in Ihren Antrag schrieben, alle coronabedingten Einschränkungen für Kinder aufzuheben, nur allzu verführerisch.

Da klingt ihre Forderung, Familien zu fördern, nur allzu schön.

Herren der AfD,

aber das ist Ihre Masche. Sie ignorieren Fakten und bieten den Menschen einfache Lösungen.

So haben Sie es bei der Flüchtlingskrise getan, als Sie die Augen vor den Problemen der Menschen verschlossen, die bei uns Schutz suchten. Schließt die Grenzen, lasst die Flüchtlinge draußen, dann ist das Problem in Deutschland gelöst. Das war damals Ihre Argumentation.

Oder beim Klimawandel. Den gibt es ihrer Meinung nach nicht, obwohl alle Fakten ihn belegen. Sie sagen den Menschen, Klima egal, macht weiter so wie bisher. Ihr müsst euch nicht ändern.

Oder jetzt bei der Coronakrise, wo Sie meinen, Corona ist doch nicht so gefährlich. Gebt den Menschen Ihre Freiheiten zurück.

Dabei müssten Sie es besser wissen - und Sie wissen es besser! Und das mache ich Ihnen zum Vorwurf: Sie gefährden absichtlich die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen, nur um Stimmung zu machen.

Fakt ist, wir haben eine Corona-Pandemie.

Fakt ist, dieser Virus gefährdet die Gesundheit der Menschen und wir müssen immer wieder aufs Neue abwägen, welche Maßnahmen auf der einen Seite für die Gesundheit vor dem Coronavirus zu treffen sind und wie wir auf der anderen Seite unter diesen Bedingungen die Grundrechte der Menschen weitestgehend erhalten können. Und diese Abwägung haben wir immer wieder erneut zu treffen. Und es ist keine einfache Entscheidung.

Fakt ist, dass wir aktuell ein gesteigertes Infektionsgeschehen haben. Das führt dazu, dass wir beispielsweise im Landkreis LUP kein freies Beatmungsgerät mehr haben. Schwerin, Helios, nimmt nach Aussagen der Verantwortlichen vor Ort letzte Woche niemanden mehr auf.

Und in dieser Situation kommen Sie und reden von - Freiheiten für Kinder und Jugendliche bewahren.

Dabei wissen Sie, dass der Virus mit seinen verschiedenen Mutationen vor niemandem Halt macht. Nicht vor Kindern, nicht vor Jugendlichen, nicht vor Erwachsenen.

Sie wissen durch die Beratungen in den Ausschüssen, oder wenn Sie sich auf der Seite des LaGuS informieren, um das Infektionsgeschehen an Kitas und Schulen.

Ab Mitte Februar ist das Infektionsgeschehen bei den 0-14-Jährigen durch die britische Mutation rasant angestiegen. Und es hält bis heute an.

Am 29. April 2021 waren laut LaGuS 42 Kindertagesstätten betroffen mit 46 Kindern und ErzieherInnen und 30 Schulen mit 44 SchülerInnen und LehrerInnen – und das in der Notbetreuung- also im reduzierten Betrieb, wo nur 38% der Kinder in den Kitas sind. Im Vergleich dazu Februar waren am 1.2. noch 13 Schulen und 14 Kitas betroffen- und das damals im Regelbetrieb.

Angesichts dieses Infektionsgeschehens, der eben beschriebenen Fakten, wie zum Beispiel die Belegung der Krankenhäuser – und eben in dieser Situation mit diesem Thema in der Aktuellen Stunde zu kommen und von - Freiheiten für Kinder und Jugendliche bewahren - und wie im Februar noch von Ihnen hier im Landtag gefordert, alle coroanabedingten Maßnahmen für Kinder und Jugendliche zurückzunehmen, zu sprechen, halte ich einfach nur für verantwortungslos.

Sie betreiben Ihre Politik ohne Rücksicht auf Verluste. Sie betreiben eine Politik, die die Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen stark gefährden wird und deren Auswirkungen schlimmer sind, als dass was Kinder und Jugendliche jetzt an Einschränkungen hinnehmen müssen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ja, es gibt Probleme, um die wir uns jetzt kümmern müssen, um die Zukunft der Kinder und Jugendlichen und von Familien zu gestalten.

Die Lösung ist aber nicht, wir machen jetzt alles auf ohne Rücksicht auf Verluste, Hauptsache wir reden nach den Wählern ihrem Mund.

Die Probleme und Lösungen kennen Sie doch! Sie selber haben im Sozialausschuss eine Anhörung zur seelischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen beantragt. Auch Sie hatten, wie es üblich ist, Experten dazu genannt. Es waren alle Professionen dabei: der Landesjugendring, hochrangige Kinder- und Jugendmediziner aus dem gesamten Bundesgebiet.

Haben Sie sich deren Stellungnahmen durchgelesen? Wenn ich die Aktuelle Stunde verfolgt habe, komme ich zu dem Schluss: nein, sie ignorieren den Rat der Experten. Was haben die Experten gesagt?

Ich fasse es für Sie zusammen:

  1. Die bisherigen Einschränkungen für die Kinder und Jugendlichen sind zum Schutz ihrer Gesundheit plausibel, nachvollziehbar und leider notwendig.
  2. Insbesondere bei jüngeren Kindern (7-10 Jahren) werden die seelischen (Depressionen, Angstzustände, Schmerzsymptom, sozialer Rückzug) und körperliche Folgen (Verschlechterung der feinmotorischen Fähigkeiten, Anstieg Adipositas, erhöhter Blutdruck) zunehmen. Die Lebensqualität hat sich verschlechtert (Zentrum für Psychosoziale Medizin).
  3. Auf circa 1/5 der Kinder und Jugendlichen muss geachtet werden- insbesondere Kinder mit Vorerkrankungen, Kinder von Alleinerziehenden, Kinder aus sozial benachteiligten Familien, Kinder mit Migrationshintergrund. Letztere 2 zwei Gruppen leben oft in beengten Räumen und haben weniger finanzielle Möglichkeiten für Tablets etc.

Ich habe nichts davon gelesen, dass diese Experten gefordert haben, dass die Freiheiten der Kinder und Jugendlichen zu bewahren wären, dass alle Corona-Maßnahmen aufzuheben sind.

Nein, Sie sagten: die Einschränkungen sind leider notwendig. Sie forderten, dass man sich mit diesen Problemen, die durch die Pandemie entstanden sind bzw. sich verschärft haben, auseinandersetzt. Dazu höre ich von Ihnen NICHTS. Ich habe nur Anträge gelesen, dass die Maskenpflicht- entgegen dem Rat der Experten- abgeschafft werden muss.

Vielmehr forderten die Experten die Stärkung der Eltern, auf denen jetzt die Hauptlast der Betreuung und Erziehung lag. Sie sind zuvorderst dafür verantwortlich, dass Kindern eine positive Lebenseinstellung gegeben werden kann um so besser mit der Krisensituation umzugehen. Vorbildhaft: HRO - digitale Eltern- und Familienarbeit und Jugendverbandsarbeit.

Die zweite Forderung war, dass Kinder- und Jugendhilfe auch und gerade in der Krisenzeit dringend notwendig ist und aufrecht erhalten bleiben muss und gesichert werden muss, um Kinderschutz, Rechte der Kinder und Jugendlichen und das Kindeswohl während der Pandemiezeit zu gewährleisten.

Deshalb haben wir es als Linke letzte Woche begrüßt und immer wieder gefordert, dass es Öffnungsperspektiven für die Kinder- und Jugendarbeit gibt- genauso wie im Kinder- und Jugendsport. Dass die Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe - ALLE, nicht nur ErzieherInnnen und LehrerInnen geschützt, getestet und vorrangig geimpft werden. Damit insbesondere die Mitarbeiter der Jugendhilfe und der Jugendämter weiter in besondere problembelastete Familien hinfahren und dort Unterstützung geben können.

Deshalb begrüßen und fordern wir jede Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen bei den Festlegungen der Maßnahmen, beispielsweise im MV-Gipfel.

Wir sehen die Probleme im Bereich der Bildung und haben konkrete Maßnahmen vorgeschlagen, wie wir sie beheben können. Dass die Voraussetzungen für den digitalen Unterricht zu schaffen sind, wie konkret unsere Schrittfolge zur Öffnung der Kitas und Schulen aussieht, dass Ferienlernkurse an den Schulen anzubieten sind, um Lernrückstände aufzuholen.

Wir sehen die Probleme in den Familien und haben Vorschläge gemacht, um sie zu unterstützen.

Dass zum Beispiel die Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket für das Mittagessen direkt an die Familien ausgezahlt werden, die die Kosten der Verpflegung bei geschlossenen Schulen und Kitas zu tragen haben.

Dass es, um die finanzielle Situation der Familien zu entlasten, ein Mindestkurzarbeitergeld für ArbeitnehmerInnen gibt bzw. für UnternehmerInnen einen Unternehmerlohn von 1200 Euro geben muss.

Wo sind diesbezüglich Ihre Forderungen? Außer der Beendigung des Lockdowns bzw. Abschaffen der coronabedingten Maßnahmen - NICHTS.

FAZIT für uns zum Schluss:

Wir werden weiterhin die Abwägung zwischen der Gefährlichkeit des Virus auf der einen Seite und der Eingriffe in die persönlichen Freiheiten der Menschen auf der anderen Seite vornehmen. Darauf achten, dass sie verhältnismäßig sind und dass die Folgen der Krise durch alle solidarisch getragen werden.

Was wir ablehnen, ist den Lockdown in dieser Phase zu beenden, so wie sie es seit Januar 2021 fordern.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.