Jacqueline Bernhardt: Keine Frühsexualisierung

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

meine Damen und Herren,

in dieser Debatte befassen wir uns mit einem Antrag der AFD Fraktion der da lautet „Keine Frühsexualisierung“.

Er fordert, dass das Erziehungsrecht der Eltern- auch zur Sexualaufklärung- nicht kontakariert werde, die Sexualaufklärung in Kita und Schule nicht stattfinden soll und das sämtliche Strategien, welche die Akzeptanz sexueller Vielfalt bewerben, ausgesetzt werden.

Zum Erziehungsrecht.

Der erste Punkt des Antrags fordert Respekt gegenüber dem vornehmlichen Erziehungsrecht der Eltern ein. Ich denke wir stimmen alle darin überein, dass das vornehmliche Erziehungsrecht immer bei den Eltern liegen sollte. Das ist schon im Art. 6 Abs. 2 GG verankert. Der Antrag verkennt jedoch, dass das Erziehungsrecht der Eltern nicht ohne Grenzen und nur zum Kindeswohl existiert. Die Grenzen finden sich in Art. 7 GG.

Neben der Erziehungsverantwortung der Eltern tritt der verfassungsrechtliche Auftrag des Staates, jedem Kind die Erziehung und Bildung zu verschaffen, die zur gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen und beruflichen Leben ermöglicht.  Das sage nicht ich, sondern das Bundesverfassungsgericht. Und dazu gehört eben auch die Sexualaufklärung.

Insofern ist das Erziehungsrecht der Eltern nicht beeinflusst. Insofern lehnen wir Punkt 1 schon ab. Wir sehen keine Beeinträchtigung des Erziehungsrechtes der Eltern.

Die AfD möchte der Sexualaufklärung in Kitas und Schulen eine Absage erteilen, damit Kinder und Jugendliche nicht indoktriniert werden, welche Formen von Sexualität und Sexualpraktiken normal und gleichwertig sind.

Wenn man das so liest, dann könnte man auf die Idee kommen, dass Kinder schon in Kitas mit Sexualpraktiken vertraut gemacht werden. Mitnichten ist das der Fall. Das Bundesamt für gesundheitliche Aufklärung macht deutlich, dass kindliche Sexualität nichts mit Sexualität von Erwachsenen zu tun hat. Nein, kindliche Sexualität äußert sich vielmehr in dem Bedürfnis nach Geborgenheit, nach Zärtlichkeit und Freude am eigenen Körper. Sexualerziehung ist ein wesentlicher Bestandteil von Gesundheitsförderungen und Persönlichkeitserziehung.

Was geschieht tatsächlich in Kitas, in Schulen? Das schauen wir in die Bildungskonzeption für 0- 10 Jährige. Da wird deutlich, was Sexualaufklärung ist.

Es ist ein altersgerechtes Lernen des Umgangs mit dem eignen Körper und den anderer Kinder, es ist die Entwicklung der eigenen Identität, der Geschlechterrollen sowie der Akzeptanz von Grenzen. Sie finden es unter S. 157 ff der Bildungskonzeption.

Stellen wir uns einmal vor, was passieren würde, wenn die AfD mit ihrem Antrag durchkäme?

Es ist ganz normal, dass mit zunehmenden Alter, Kinder ihren Körper erforschen und den anderer Kinder- Stichwort Doktorspielchen. Wie soll in diesem Fall eine Erzieherin, ein Erzieher damit umgehen? 

Dastehen und geschehen lassen. Nein. In diesem Fall hätten Kinder und Eltern die Fachkräfte aufgrund einer Nicht-Thematisierung sexueller Themen oder in einer Kultur, die eine Einrichtung als nicht-sexuell, definiert, keine kompetente Ansprechperson zu diesem Themenbereich. Es kann dann mit den Kindern keine Aushandlung über Verhaltensregeln geben, was erlaubt ist und was nicht.  

Und dann sind wir beim Thema Prävention. Nur, wenn Kinder wissen, was an Handlungen von Erwachsenen oder anderen Kindern in Ordnung ist, wenn sie also aufgeklärt sind, können Kinder ‚nein‘ sagen, Hilfe holen oder schreien, wenn Übergriffe stattfinden.

Und das ist in Mecklenburg-Vorpommern notwendig. Mecklenburg-Vorpommern hat immer noch eine sehr hohe Kindesmissbrauchsquote. Viele Täter kommen dabei aus dem Bekanntenkreis oder sogar aus der Familie. 

Die Kinder müssen wissen, dass das was diese Täter von Ihnen verlangen, nicht richtig ist. Sie müssen wissen, was das bedeutet und Sie müssen wissen, dass das falsch ist. Sie müssen wissen, dass eine Gefahr lauert, wenn ein Herr Arppe an irgendeiner Hüpfburg rumsteht.

Wir alle reden immer von Kinderschutz und wie wichtig dieser ist, und sie fangen jetzt an, effektive Mittel dieses Kinderschutzes zu torpedieren. Nein, dass lehnen wir definitiv ab.

Wie gesagt, inhaltlich können wir ihren Antrag nur ablehnen. Wir brauchen aufgeklärte Kinder und Jugendliche, Fachkräfte und Eltern.

Ich frage mich ja immer, was sie bewegt, wenn Sie so einen Antrag stellen. Was ist ihre Motivation? Warum lehnen Sie Diversität, warum lehnen Sie Gleichstellung ab?

Sie haben Angst in ihrem kruden Weltbild, dass ihr veraltetes  Familienbild von Mutter- Vater- Kind durch Diversität der Geschlechter, durch die Akzeptanz bei der Sexualität gefährdet wird. Das die Gesellschaft gefährdet wird, wenn man von ihrem Familienbild abweicht. Das wird so auf den ersten Blick nicht gleich aus ihrem Antrag deutlich.

Und irgendwie kam mir dieses Thema bekannt vor. Ich habe gekramt und nachgeforscht und dann wusste ich, warum mir dieses Thema so bekannt vorkommt.

Dann hatte ich es:  2016 gab es im Januar einen Antrag von der NPD hier im Landtag zu dem ich geredet hatte. Er hieß „Nein zur Frühsexualisierung unserer Kinder“.

Er ging genau in dieselbe Richtung. Es solle vermieden werden, dass durch Frühsexualisierung in den öffentlichen Bildungseingseinrichtungen kein widernatürliches Familienbild anerzogen wird. Er benannte die Motivation. Die auch Ihre Motivation.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Dieser Antrag ist beispielhaft für ihre Nähe zur NPD. Sie verkleiden Ihr Anliegen nur geschickter. Sie schieben die Eltern und ihr Erziehungsrecht vor. Aber eigentlich haben Sie genau dasselbe Familienbild Mutter-Vater-Kind, dasselbe Rollenverständnis von Geschlechtern und haben auch sonst viele geistige Gemeinsamkeiten.

Insofern ist es nur zu begrüßen, dass Sie vom Verfassungsschutz unter Beobachtung stehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.