Jacqueline Bernhardt: Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe in Mecklenburg-Vorpommern - Einbringung

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

meine Damen und Herren,

vor ihnen liegt heute ein Gesetzentwurf zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern. Das Strafvollzugsgesetz ist mittlerweile 7 Jahre alt. Aus Sicht der Linksfraktion wird es höchste Zeit für eine Überarbeitung.

Als das Gesetz seinerzeit das parlamentarische Verfahren durchlief, war die Kritik durchwachsen. Gelobt wurde natürlich der Resozialisierungsansatz. Die Resozialisierung ist wichtig. Sie ist es, worauf es im Strafvollzug maßgeblich ankommt, dass Menschen, die zu Straftätern wurden, befähigt werden, nach ihrer Haftentlassung und dem Abbüßen der Strafe ein straffreies Leben zu führen.

Dabei geht es nicht um ein „Kuschelvollzug" für Strafgefangene, sondern um Kriminalprävention. Beinahe jeder Straftäter kommt irgendwann wieder auf freien Fuß. Der Vollzug entscheidet darüber, wie hoch das Risiko von Wiederholungstaten ist. Gute Therapie im Strafvollzug verhindert mehr Straftaten, als es eine Vielzahl von Polizisten je könnten.

Obwohl der Resozialisierungsansatz des Gesetzes damals gelobt wurde, kamen Zweifel auf, inwieweit der Rest des Gesetzes dem Rechnung tragen würde können. Die einzelnen Bestimmungen wurden vielfach als nicht zwingend, als nicht konsequent genug empfunden. Die Regelungen zur Vergütung von Gefangenenarbeit wurden sogar als verfassungswidrig niedrig eingestuft.

Für eine sehr große Verwunderung sorgte die Aussage, dass das Gesetz sich kostenneutral umsetzen lasse, zusätzlicher Personalaufwand also nicht nötig sei. Kritiker sagten, dass dies nicht möglich sei. Man könne nicht mehr Aufgaben ins Gesetz hineinschreiben und dann der Meinung sein, dass diese sich mit dem gleichen Personalbestand erfüllen ließen.

Ich muss sagen, diese Kritiker sollten recht behalten. Wenn es einen Bereich im öffentlichen Dienst gibt, über den in den Medien in der Vergangenheit bezüglich eines erheblichen Personalmangels berichtet wurde, dann war es ganz sicher der Vollzugsdienst. Sogar das Fernsehen berichtete darüber. Da war die Rede von regelmäßigen täglichen Einschlüssen von 23 Stunden, ganze Hafthäuser wurden zugeschlossen und Entlassungsvorbereitungen konnten teilweise nur unzureichend durchgeführt werden.

Die Belastungen bei den Beamten im allgemeinen Vollzugsdienst waren und sind extrem hoch. Die Folgen waren und sind noch immer extrem hohe Krankenstände und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die dem Vollzugsdienst den Rücken gekehrt haben. Kündigungen eines Beamtenverhältnisses, vor Jahren noch undenkbar.

Meine Damen und Herren,

es muss sich etwas ändern.

Der vorliegende Gesetzentwurf hat 32 Änderungsbefehle. Einige der Änderungsvorschläge hatten wir damals bereits im Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Einige andere haben wir zwischenzeitlich wieder verworfen. Dafür sind aber auch neue hinzugekommen, deren Notwendigkeit sich für mich bei Gesprächen und Besuchen herauskristallisiert haben. Einige Änderungen sind durchaus erheblich, andere eher geringfügig und wieder andere sind rein deklaratorischer Natur.

Ich kann jetzt hier natürlich nicht auf alle eingehen, aber ein paar Sachen möchte ich trotzdem noch vertiefen.

Aus unserer Sicht ist es zunächst sehr wichtig, dass die Haftzeit bestmöglich ausgenutzt wird und deshalb so früh wie möglich mit der Therapie begonnen wird. Diagnoseverfahren und Vollzugsplanung müssen deshalb so schnell wie möglich erfolgen. Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger haben uns gegenüber immer wieder kundgetan, dass diese Verfahren nach ihrer Auffassung häufig viel zu lange dauern. Bedauerlicherweise werden die durchschnittlichen Dauern dieser Verfahren nicht erfasst, wir können deshalb also nur grob schätzen.

Wir wollen jedoch das Diagnoseverfahren auf vier Wochen beschränken und die zeitlichen Vorgaben für die Vollzugs- und Eingliederungsplanung halbieren. Das ist sehr ambitioniert und wir wissen, dass der Bund der Strafvollzugsbediensteten schon den alten Fristenregelungen sehr kritisch gegenüberstand und denen im Gesetzentwurf wahrscheinlich noch viel mehr. Nichtsdestotrotz ist eine Beschleunigung der Verfahren nötig. Wir hatten in diesem Zusammenhang auch überlegt die Fristen fix zu machen und das Wort „regelmäßig“ zu streichen. Allerdings wird es sicherlich auch Fälle geben, wo die Einhaltung der Fristen aus vollzuglichen Gründen nicht möglich oder nicht sinnvoll ist. Insofern wollen wir die Flexibilität der Regelung beibehalten und hoffen so allen Eventualitäten Rechnung zu tragen.

Ein weiteres wichtiges Anliegen, ist der Wohngruppenvollzug. Dieser sollte nach unserer Auffassung der Regelvollzug sein. Straftäter zeichnen sich häufig durch eine fehlende soziale Kompetenz aus. Diese lernen Sie ganz sicher nicht, wenn sie 23 Stunden täglich in ihrer Zelle weggeschlossen werden. Dafür brauchen sie Mitmenschen, also Mitgefangene, mit denen sie ein Gemeinschaftsleben lernen können.

Ein dritter Punkt auf den ich eingehen möchte, ist die Vergütung für Arbeit im Strafvollzug durch Strafgefangene. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal sagen, für wie wichtig ich die Arbeit im Strafvollzug erachte. Arbeit ist ein wichtiges therapeutisches Mittel und es muss alles darangesetzt werden, eine Vollbeschäftigung im Strafvollzug zu ermöglichen. Hinsichtlich der Vergütung ist die Situation die, dass die Regelung, wie wir sie jetzt im Strafvollzugsgesetz stehen haben, schon im März 2013, im Anhörungsverfahren, als verfassungswidrig niedrig kritisiert wurde. Sie entspricht in ihrer Höhe dem Vorgängergesetz, dem Strafvollzugsgesetz des Bundes.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1998 die Arbeitsentgelte als zu niedrig und für verfassungswidrig erklärt hatte, hob der Bund im Jahre 2001 die Bemessungsgrenze von 5 auf 9 Prozent an. Das war dann nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts gerade noch so verfassungskonform, sollte aber regelmäßig überprüft werden.

Das ist aber nicht geschehen, meine Damen und Herren.

Insofern kann man knapp 20 Jahre später davon ausgehen, dass die Regelungen zur Bemessungsgrenze und auch zur Mindestvergütung mittlerweile definitiv verfassungswidrig sind. Hier muss dringend nachgebessert werden.

Einen vierten wichtigen Punkt, habe ich bereits eingangs angerissen, und zwar die Personalsituation, insbesondere im allgemeinen Vollzugsdienst. Abgesehen vom therapeutischen Personal in den Wohngruppen, haben wir davon abgesehen, einen festen Personalschlüssel in das Gesetz zu schreiben. Der Grund war einfach der, dass wir glauben, dass die Bedingungen im Strafvollzug und in den einzelnen Justizvollzugsanstalten so vielschichtig sind, dass ein fester, gesetzlich geregelter Personalschlüssel dem nicht gerecht werden würde.

Aber wir fordern eine regelmäßige Evaluierung des Personalbestandes unter Berücksichtigung der jeweiligen Rahmenbedingungen. Belastungssituation und Krankenstände müssen dabei berücksichtigt werden. Der Personalbedarf wird bisher durch die AGOP ermittelt und es gab da wohl auch schon Fortschreibungen. Deren System ist aber wenig transparent und vor allem ist es nicht gesetzlich fixiert. Wir brauchen ausreichen motiviertes Personal in den Justizvollzugsanstalten, um den Resozialisierungsanspruch, der im Gesetz verankert ist, vor Ort auch umsetzen zu können. Bei allem good will der Strafvollzugsbediensteten ist dem Resozialisierungsgedanken kaum Rechnung zu tragen, wenn wie im Fall von Bützow nach den letzten AGOP-Berechnungen 224 Bedienstete im AVD da sein sollten, im Stellenplan nur 216 stehen und von denen letztlich nur 176 einsatzfähig sind. Das kann nicht unser Ziel sein.

Meine Damen und Herren,

ich hoffe ich habe jetzt einige Themen anreißen können und freue mich auf eine spannende Debatte. Ich bedanke mich.