Erfolgsmodell Landarztgesetz Mecklenburg-Vorpommern ausbauen und erweitern

Torsten Koplin

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,
wir sind in der politischen Verantwortung, die medizinische
Versorgung für alle hier lebenden Menschen zu sichern und
sie zugleich auf qualitativ hohem Niveau zu gewährleisten.
Es stellt sich die Frage, ob die vorgelegten Anträge geeignet
sind, den enormen Herausforderungen aufgrund
demographischer Veränderungen, des Wandels im
Gesundheitssektor und der Entwicklungen in der Arbeits- und
Lebenswelt adäquat zu begegnen.
Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die Linksfraktion
in den vergangenen Jahren, letztmalig im Januar 2020,
Initiativen in eine ähnliche Richtung unternahm.
Sie wurden allesamt mit fadenscheinigen Argumenten
abgelehnt. Unsere Vorstöße wären verfrüht, die geltenden
Regelungen seien zunächst zu evaluieren, die Pharmazeuten
würden ganz andere Themen diskutieren und so weiter und so
fort.
Die Lösungsansätze, für die wir seinerzeit stritten, waren
wohlbegründet und hatten ihre Berechtigung. Der
erforderliche Lösungszeitpunkt war gestern. Sie haben ihn
verstreichen lassen. Uns muss heute etwas anderes einfallen,
denn die Paradigmen von gestern reichen nicht mehr aus, um
den tiefgreifenden Veränderungen wirksam entgegentreten zu
können.
Diese Einschätzung möchte ich anhand einiger Zahlen und
Fakten belegen. Dabei greife ich auf bundesweite Daten
zurück. Dies ist gerechtfertigt, leben wir in M-V bildlich
gesehen doch nicht auf einer Insel.
In den letzten 10 Jahren hat sich die Zahl der Studierenden in
der Allgemeinmedizin von 82.770 auf 105.275 erhöht. Das ist
ein Plus von 27,2 Prozent.
Die Anzahl der berufstätigen Ärztinnen und Ärzte hat sich im
selben Zeitraum von 348.700 auf 421.300, also um 20,8
Prozent erhöht.
Gründe für das Delta gibt es gleich mehrere. Zuvorderst. Der
demographische Wandel spiegelt sich beim medizinischen und
pflegerischen Personal genauso wider, wie in der gesamten
Gesellschaft. Beachtlich ist auch, dass so manche
erfolgreichen Absolventinnen eines Studiums in der
Humanmedizin nicht an der Patientin bzw. am Patienten
ankommen. Allein das wiederum hat Gründe, über die mein
Kollege, Christian Albrecht, jüngst aus
wissenschaftspolitischer Sicht klug und zutreffend
argumentiert hat. Sie sind nachlesbar.
An dieser Stelle sei festgehalten, dass sich das Verhältnis von
Studierenden der Humanmedizin zu den berufstätigen
Ärztinnen und Psychotherapeutinnen tendenziell
verschlechtert.
Betrug das Verhältnis vor zehn Jahren noch 1 zu 4,2 sind es
aktuell nur noch 1 zu 4,0. Diese Veränderungen sind so
massiv, dass ein Schrauben am Bestehenden keine Lösung
bringt.
Wir sind als Linksfraktion zu der Auffassung gelangt, dass uns
vergleichsweise kleine und traditionell geprägte Ideen nicht
weiterhelfen. Das trifft auch für unsere eigenen Überlegungen
zu, die wir selbstverständlich immer erneut auf den Prüfstand
stellen, hinterfragen und weiterentwickeln.
Statt den mit den vorgelegten Anträgen verbundenen
Intentionen zu folgen, unterbreiten wir den Vorschlag für eine
Dreischritt-Strategie. Sie besteht aus kurz-, mittel- und
langfristigen Komponenten.
Kurzfristig gilt es jene Fachkräfte zu den Patientinnen und
Patienten zu bringen, die hier leben und auf ihre Zulassung
durch hiesige Behörden warten. Die Dauer der behördlichen
Prozesse, bis jemand aus dem Ausland kommend, hier
medizinisch tätig werden darf – vorausgesetzt alle Prüfungen
werden bestanden – dauern durchschnittlich zwischen 1,5 und
3 Jahren. Das ist nicht hinnehmbar.
Mittelfristig gilt es, die Potentiale der digitalen Medizin zu
nutzen. Sie hat in den letzten Jahren einen erheblichen
Entwicklungssprung gemacht und einen relevanten Reifegrad
erreicht. Digitale Technologien im Gesundheitswesen finden
mittlerweile auf allen Ebenen der gesundheitlichen
Versorgung Anwendung. So in der Diagnose von Krankheiten,
etwa durch die automatisierte Auswertung der medizinischen
Bildgebung. So bei der Entwicklung von Therapieplänen. Und
so auch bei Vorhersagen von medizinischen Outcomes.
Wir sind gut beraten, der Formierung eines digitalen Sektors
im Gesundheitswesen den Weg zu bahnen bzw. sie zu
flankieren.
All diese Strategiebestandteile werden für den Einsatz von
tätigen Medizinerinnen und Medizinern entlastend sein,
werden mit Blick auf die Fachkräftesituation kompensierend
wirken.
Langfristig müssen wir die gesundheitliche Prävention
stärken. Prävention, ob primär, sekundär oder tertiär muss
einen höheren Stellenwert bekommen. Das zu ändern hat sich
die Kommission „Zukunft der medizinischen Versorgung in
MV“ vorgenommen.
Die Koalitionsfraktionen werden ihrerseits in Kürze hierzu
einen Beschlussvorschlag auf den Tisch dieses Hauses legen.
Durch erfolgreiche Gesundheitsprävention kann und muss es
gelingen, die Zahl der Arztkontakte zu reduzieren, mithin die
Beanspruchung des Gesundheitswesens zu senken.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,
es gibt Grund zu der Annahme, dass die auf Bundesebene
angeschobene Krankenhausreform, den Ärztemangel zeitweilig
entschärfen, nicht aber lösen wird.
Insgesamt braucht es einen Masterplan auf Bundesebene wie
das Gesundheitssystem der Zukunft in der Bundesrepublik
Deutschland aussehen, wie es aufgestellt sein soll.
Eine Krankenhausreform und notwendigerweise eine dazu
passende Pflegereform wären erste Schritte. Eine Reform der
Kranken- und der Pflegekassen sowie eine Reform der
Selbstverwaltung sind weitere notwendige Schritte.
Wir müssen die bestehenden Probleme und deren Lösung
komplexer sehen und angehen.
Dazu sind wir alle aufgefordert.
Vielen Dank.