Dr. Mignon Schwenke: Karow als Bahnkreuz reaktivieren - durchgängige Südbahn und länderübergreifende Regionalbahn gemeinsam mit Brandenburg einrichten

Frau Präsidentin,

meine Damen und Herren,

das Thema Südbahn bewegt meine Fraktion und mich seit Herbst 2013. Gemeinsam mit Abgeordneten anderer Parteien, insbesondere der Kommunalebene, kämpfe ich für die Südbahn. Besonders hervorheben möchte ich aber die Bürgerinitiative Pro Schiene, die unermüdlich ohne aufzugeben bis heute mit vielen Vorschlägen und Forderungen an die Kreise und das Land herantreten.

Und ich habe immer noch einen bemerkenswerten Redebeitrag von Kollegen Waldmüller im Landtagsplenum im Ohr, den er anlässlich eines fraktionsübergreifenden Antrages regionaler Abgeordneter zur Rettung der Südbahn hielt. Drei mutige Sätze aus dem Redebeitrag gebe ich sinngemäß wieder und appelliere an Sie alle, Herz und Hirn dafür zu öffnen:

  1. Er verwies darauf, dass für den Erhalt der Südbahn zuallererst politischer Wille der Verantwortungsträger notwendig sei.
  2. Er betonte, dass erst ein Angebot unattraktiv gemacht würde und dann voller Verwunderung festgestellt werde, dass es keiner wahrnimmt.
  3. Er mahnte, wir dürfen den Menschen im ländlichen Raum nicht das Gefühl geben, abgeschrieben zu sein.

Nach etlichen Anträgen zum Erhalt der Südbahn ziehe ich heute Bilanz. Zumindest die endgültige Stilllegung ist vom Tisch und bis 2027 ist der Saisonverkehr gesichert. Wir konstatieren, dass die Fronten zwischen den unermüdlichen Aktivisten und dem Land als Aufgabenträger nicht mehr so unversöhnlich und verhärtet sind und ein Umdenken in Richtung Schiene stattfindet.

Und auch der neue Geschäftsführer der landeseigenen Verkehrsgesellschaft ist ein Gewinn für Entwicklung und Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs insgesamt. Er hat verstanden, dass es ohne eine Koordinierung des Nahverkehrs insgesamt, also von Bus und Bahn nicht weitergehen kann.

Ich stelle nicht in Abrede, dass durchaus Verbesserungen im Regionalbahnangebot erfolgten. Ich sehe auch nicht erst heute die Zwänge, dass wegen fehlender Fernverkehrszüge das Land mit Regionalbahnangeboten Lücken schließen muss.

Erleichtert bin ich auch darüber, dass endlich die Entscheidung Pro Darßbahn fiel. Dort sind noch viele Bretter zu bohren und viele Jahre werden vergehen ehe sie fährt. Aber der Anfang ist gemacht!

Ebenso gibt es die Einsicht, dass ohne eine südliche Bahnanbindung die Verkehrsprobleme der Insel Usedom nicht gelöst werden können.

Ich begrüße, dass das Land wieder die volle Verantwortung für den SPNV, damit auch für die Kleinseenbahn und den Saisonverkehr der Südbahn, übernimmt.

Auch in Bezug auf Tarife, Vernetzung und Digitalisierung tut sich etwas. Das ist alles ist gut und ich nehme für mich in Anspruch, dazu beigetragen zu haben.

Aber ich betone auch, dass wir nicht zufrieden sein können. Das Potenzial der Bahn vor allem für die Regionalentwicklung ist längst nicht gehoben. Von einem Bahnland M-V sind wir weit, sehr weit entfernt. Und ohne das wird die Verkehrswende nicht gelingen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

die Bahn ist teuer und selbstverständlich müssen wir sorgsam mit Steuermitteln umgehen, also genau abwägen, wo das Geld dafür herkommt. Aber ganz im Sinne der Gedanken des Kollegen Waldmüller, hängt die Nutzung eines Angebotes von der Qualität, d.h. der Nutzbarkeit des Angebotes ab.

Ein schlechtes, nicht genutztes Angebot bedeutet, dass viel Geld verbrannt wird.

Bei der Südbahn geht es um die Erschließung einer ganzen Region, damit um Lebensqualität und Chancengleichheit, um Teilhabe und auch wirtschaftliche Entwicklung. Eine ganze Region im Süden Mecklenburgs und im Nordwesten Brandenburgs würde profitieren von der Bahn. Diese Betrachtung fehlt nach wie vor.

Ein bisschen verwundert das schon, denn das Ministerium ist neben einem Verkehrsministerium auch Ministerium für Landesentwicklung.

Die Entscheidungen zur Südbahn und auch zur Reaktivierug der Strecke Meyenburg bis Güstrow-Priemerburg sind zu allererst politische Entscheidungen. Sie müssen vom Landtag getroffen werden. Spätestens nach 2027 muss wieder SPNV vom Land bestellt werden. Das gilt für die West-Ost als auch für die Nord-Süd-Richtung. Durchgehende Verbindungen mit Karow als Bahnkreuz – darum muss es gehen. Das Potenzial an Fahrgästen ist nur zu heben, wenn alle Himmelsrichtungen bedient werden und deutlich mehr Züge fahren.

Nicht nur Touristen aus Hamburg und Berlin dürfen im Fokus stehen, sondern Menschen aus der Region, die zur Schule, Berufsschule, Arbeit, zum Arzt oder zum Einkauf fahren.  

Bis dahin gilt es von Jahr zu Jahr das Saisonangebot zu erweitern und zu verbessern.  

Ich verweise auf ein Verkehrskonzept, das Verkehrsplaner Constantin Pitzen für die BI Pro Schien für den Saisonverkehr erstellt hat. Dieses Konzept ist bei Landesregierung und Verkehrsgesellschaft bekannt. Ich appelliere es eingehend zu prüfen und möglichst umzusetzen. Es bietet zudem Potenzial für die Weiterentwicklung zum integrierten Taktfahrplan.

Der politische Wille des Landtages wird jetzt gebraucht. Ein Hinauszögern der Entscheidung bis 2027, ob es überhaupt und wie weiter geht, würde das Aus besiegeln. Niemand würde investieren, weder die Kommunen noch das Infrastrukturunternehmen.

Nur mit gesicherter Perspektive können Kommunen entlang der Bahn aktive Ansiedlungspolitik und Marketing betreiben und in ihrer Hoheit befindliche Plätze und Anlagen wieder so herrichten, dass sie einladend wirken.

Mit dem aktuellen Saisonverkehr wird voll auf Verschleiß gefahren. Kaum Züge bedeuten kaum Einnahmen durch Trassenentgelte. Dabei muss dringend in die Infrastruktur investiert werden.

Ich verweise auf meine Kleine Anfrage zum Investitionsbedarf bei Aktivierung von Bahnstrecken auf Drucksache 7/6000. Nach grober Schätzung wären noch knapp 21 Mio. Euro notwendig, um zwischen Parchim und Waren sowie Güstrow und Meyenburg die Bahninfrastruktur zu ertüchtigen. Mit Unterstützung vom Land und über Förderung aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz i. H. v. 14 Mio. Euro wäre das zu schultern. Die restlichen Mittel müssten hälftig von den Straßenbaulastträgern und der Regio Infra Nordost als Eigentümer der Infrastruktur aufgebracht werden.

Für den Anteil der Straßenbaulastträger hat der Landeshaushalt Vorsorge getroffen und Mittel für Maßnahmen nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz im Landeshaushalt eingestellt. Die könnten genutzt werden. Und mit gesicherter Perspektive würde der Infrastruktureigentümer seinen Beitrag leisten, dessen bin ich mir sicher.

Der Vorlauf für Planung und Umsetzung verlangt eine Entscheidung. Wenn es nicht heute ist, dann zu Beginn der neuen Wahlperiode. Zumindest das will ich dem neuen Landtag mit auf den Weg geben. Denn ich habe kaum die Illusion, dass dieser Antrag heute die Mehrheit findet.

Meine Damen und Herren,

in Kürze wird entschieden, welches Eisenbahnunternehmen in welchem Umfang den Saisonverkehr und die Kleinseenbahn bedienen wird. Der Saisonverkehr ist allein auf Plau am See ausgerichtet. Das ist suboptimal für das Erreichen weiterer Orte und vor allem keine Lösung für Einheimische. Umsteigen und lange Wartezeiten machen das Angebot unattraktiv.

Dieser Antrag hat das Ziel zu verhindern, dass Verkehrsverträge für SPNV-Leistungen und den Saisonverkehr für die kommenden Jahre Tatsachen schaffen, die Perspektiven verbauen.

Es muss möglich bleiben, Verkehrsleistungen auszuweiten und allmählich die gesamte Südbahn zu reaktivieren. Wir wollen zudem erreichen, dass länderübergreifend eine neue Regionalbahnlinie eingerichtet wird. Aktuell werden auf Brandenburger Seite Vorbereitungen getroffen, um Verkehrsleistungen bis zur Landesgrenze M-V neu auszuschreiben. Da liegt es nahe, dass der Zug nicht an der Grenze endet, sondern mit dem Fahrplanwechsel Dezember 2022 über Karow bis Waren weiterfährt. Dazu müssen aber erst einmal die Einsicht und der Wille zur Verhandlung mit Brandenburg bestehen.

Mit einer länderübergreifenden Bahnlinie wären die Strecken Meyenburg–Karow und Karow–Malchow reaktiviert. Südbahn und Regionalbahn aus Neustadt/Dosse könnten über Karow nach Waren fahren und den Takt verdichten. In einem weiteren Schritt könnte es über Karow auch wieder weiter nach Norden bis Güstrow (Priemerburg) gehen. Dann wäre auch diese Strecke reaktiviert. Karow würde wieder zu dem Bahnkreuz werden, was es einmal war.

Abschließend betone ich: Klimaschutzziele sind nur mit einer Verkehrswende zu erreichen. Dafür muss mehr Personen- und vor allem Güterverkehr auf die Schiene. Aktuell verhandeln die Ressorts auf Bundesebene um ein weiteres milliardenschweres Klimapaket. Die gerichtlich eingeforderten höheren Ziele des Klimaschutzgesetzes müssen mit Maßnahmen untersetzt werden. Der Verkehrsbereich ist Schwerpunkt. Mehr Mittel für die Bahn schaffen mehr Spielraum für Bahnprojekte. M-V muss zusehen, dass es nicht hinterherhinkt. Andere Länder haben ihre Planungen zur Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken in der Schublade. Dem Beispiel sollten wir folgen.

Ich bitte um Zustimmung zum Antrag.

Brach liegt das Potenzial beim Güterverkehr. Beispielsweise die Landesforst M-V verkaufte in 2020 fast 234.000 Festmeter an das Holzindustrieunternehmen KRONO. Das entspricht einem Viertel des Jahresholzeinschlages der Landesforst! KRONO hat seinen Sitz in Wittstock/Heiligengrabe – damit direkt an der Strecke. Für den Transport und die Transportwege indes fühlt sich das Land nicht verantwortlich. Das muss sich ändern. Holz ist prädestiniert für den Transport per Bahn.

Ein weiteres Beispiel: Die Meyenburger Möbel GmbH produziert Billy-Regale für IKEA, die Nutzung der Bahn für Transporte passt in die IKEA-Strategie, grün zu werden. Gütertransportgeschäfte sind auf Langfristigkeit ausgelegt. Nur mit der Gewissheit, dass die Schieneninfrastruktur erhalten und nutzbar bleibt, lässt sich mit Firmen über neue Vertriebs- und Transportstrukturen verhandeln.

Insofern bedeuten Verträge über SPNV-Leistungen auch höhere Chancen für den Güterverkehr.

Danke