Dr. Mignon Schwenke: Bericht und Empfehlungen des MV Zukunftsrates

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

meine Damen und Herren,

„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“, lautet eines der berühmtesten Zitate von Helmut Schmidt.

So begann Frank Breuner im Nordmagazin vom 19. März seinen Bericht über die Vorstellung der Empfehlungen des MV Zukunftsrates.

Man soll Journalisten ja nicht kritisieren, aber um es freundlich zu formulieren, finde ich dieses Zitat nicht geeignet, um auf die Arbeit des Zukunftsrates einzugehen.

Die 49 in den Rat berufenen Einzelpersönlichkeiten haben etwas Erstaunliches zustande gebracht. Der Bericht inklusive der Empfehlungen ist nicht von Visionen durchzogen, aber durchaus visionär. Man muss nicht mit jedem einzelnen Punkt einverstanden sein, aber alle Empfehlungen scheinen mir praktisch umsetzbar.

Ich muss zugeben, dass ich ziemlich skeptisch war, was da wohl herauskommen würde. Umso beeindruckter bin ich vom Ergebnis und froh, dass wir heute darüber diskutieren.

„Unsere Zukunft ist jetzt! …“ beginnt der Titel. Wir haben damit Zukunftsbilder und ein Zukunftsprogramm für Mecklenburg-Vorpommern erhalten, die auf Nachhaltigkeit als durchgängiges Prinzip aufbauen.

Nachhaltigkeit im Sinne von Arbeiten und Wirtschaften, sozialem Miteinander im Einklang mit Natur und Umwelt und nicht auf deren Kosten! So etwas hat die Koalition in fünf Jahren nicht zustande gebracht.

Sie erinnern sich vielleicht, dass meine Fraktion einen Antrag eingebracht hatte, die Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes auf unser Land herunterzubrechen. Nun haben wir eine, allerdings nur, wenn sie nicht wie so viele andere kluge Dokumente im Nirvana oder einfach in untersten Schubladen verschwindet.

Der Bericht enthält Vorschläge für themen- und ressortübergreifendes Handeln, Initiativen in einzelnen Politik- und Verwaltungsbereichen und Ideen auf Projektebene – also all das, was vorausschauende und zukunftsorientierte Politik auf allen Ebenen braucht.

Es ist schon erstaunlich und äußerst ergiebig, was da in wenigen Monaten unter Corona-Bedingungen entstand.

Die Regierung verspricht auch sofort, zwei Maßnahmen kurzfristig umzusetzen oder einzuleiten:

1. Einrichtung einer landesweit tätigen Wasserstoff-Transferstelle, welche die wirtschaftliche Anwendung von Wasserstoff als Energiespeicher und verbindendes Element der Sektorenkopplung befördert (Strom, Wärme, Mobilität). Hierfür Kooperation und Vernetzung von Akteuren aus Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Verwaltung,

2. Erarbeitung eines Maßnahmenkonzepts „Klimaneutrale Landesverwaltung“ zur Vermeidung und Verringerung von Treibhausgasemissionen der Landesverwaltung.

Gerade der Punkt „Klimaneutrale Landesverwaltung“ war eine wichtige Forderung meiner Fraktion in dieser Legislatur. All unsere Initiativen wurden abgelehnt. Den dringenden Handlungsbedarf bescheinigten nun auch die 49 Persönlichkeiten des Zukunftsrates.

„Weitere Empfehlungen des Zukunftsrates werden aus Sicht der Landesregierung in der kommenden Legislaturperiode durch den dann neu gewählten achten Landtag Mecklenburg-Vorpommern und die von ihm für diese Legislaturperiode gewählte Landesregierung zu

erörtern und zu entscheiden sein.“, lautet das Fazit der Landesregierung. So sieht auch das Fazit meiner Fraktion aus. Ich mache es mal konkret:

Den Vorschlägen des Zukunftsrates

-    Jugendbeteiligungsgesetz

-    Klimaschutzgesetz für Mecklenburg-Vorpommern

-    Strukturwandelstärkungsgesetz

-    Moratorium für den Holzeinschlag in alten Laubwäldern

-    Aufsuchende Bildung

-    internationales Freiwilligenjahr

-    mehr Wiedervernässung von Mooren, mehr Moorschutz

-    Landesinitiative für Moorklimawirtschaft

-    Erweiterung der Ökowertpapiere im Land

-    internationales Greentec-Festival

-    Dorfwerke

und vielem mehr kann sich meine Fraktion sofort anschließen.

Wie gesagt, einiges davon hätten wir auch schon in der zu Ende gehenden Legislaturperiode haben können, wenn Sie unseren Vorschlägen gefolgt wären.

Aber das Wahlmotto der Konservativen „C wie Zukunft“ hat sich in den letzten fünf Jahren als Blockademotto erwiesen.

Der Zukunftsrat gibt uns als erste Weichenstellung an die Hand, dass Nachhaltigkeit zum verpflichtenden Kriterium politischen und institutionellen Handelns in Mecklenburg-Vorpommern werden muss. Sehr einverstanden!

Die zweite Weichenstellung sieht der Zukunftsrat in digitaler Infrastruktur wie mobiler Netzversorgung, Datensicherheit und datenbasierte Dienstleistungen sollen zum Grundrecht erhoben werden. Ein Flächenland mit 6000 Dörfern muss hier Spitzenreiter sein, denn diese neue Form der Vernetzung hat enormes Potenzial für Teilhabegerechtigkeit, Wirtschaftswachstum und Innovationskraft, schreibt uns der Zukunftsrat ins Stammbuch.

Auch dieser Prämisse kann meine Fraktion nur zustimmen.

Wir müssen es nur machen.

Die dritte wesentliche Weichenstellung im Bericht ist:

Gemeinwohlorientierung soll zum leitenden Prinzip der Daseinsvorsorge werden.

Ich zitiere: „Generationengerechtigkeit und Bildungserfolg müssen als Ausdruck von Würde und Teilhabe zu verpflichtenden Indikatoren werden. Es ist ein dauerhafter Auftrag der Politik, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken und individuelle Chancen in allen Lebenslagen strukturell zu fördern.“

Auch an dieser Stelle spricht mir der Zukunftsrat aus der Seele.

Ohne Gemeinwohlorientierung in allen Lebensbereichen, ohne Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche, für Seniorinnen und Senioren, für Menschen mit Behinderungen, um Menschen der Armutsfalle zu entziehen, gute Löhne für gute Arbeit, gute Rahmenbedingungen für nachhaltiges Unternehmertum – all das brauchen wir für eine gute und nachhaltige Zukunft in diesem Land.  

Und damit stellt sich die Frage, wie dieses Parlament und das nächste mit dem Bericht des MV Zukunftsrates umgehen sollen.

Für meine Fraktion kann ich versprechen, dass es für uns nicht bei der heutigen Debatte bleiben wird. In der nächsten Legislatur wird Ihnen die Linksfraktion wieder Gesetzesentwürfe und Anträge unterbreiten, die Forderungen des Zukunftsrates aufgreifen.

Wir könnten uns zudem durchaus vorstellen, dass zukünftige Landesregierungen ebenfalls einen solchen Zukunftsrat berufen, quasi als Beirat institutionalisieren.

Zum Beispiel könnten Themen wie die Zukunft der Bildung in Mecklenburg-Vorpommern, die Demografische Entwicklung oder wie es uns gelingen kann, die Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben sicherzustellen und zu verbessern, Klimaschutz voranzubringen und die Lasten solidarisch zu verteilen, mit einem weiteren Zukunftsrat diskutiert werden.

Die dafür berufenen Persönlichkeiten sollten wechseln und das Parlament sein Vorschlagsrecht behalten.

Und wir brauchen ein besseres Zusammenwirken von Zukunftsrat und Landes- und Kommunalparlamenten. Meiner Fraktion reicht es nicht, den vorgelegten Bericht einmal im Parlament zu diskutieren.

Wiedervorlage in der nächsten Legislatur und eine verpflichtende Überweisung in alle Landtagsausschüsse, Erarbeitung von Stellungnahmen und Zeitleisten wie bis wann was umzusetzen ist – das brauchen wir.

Zum Schluss möchte ich mich für die tolle Arbeit des Zukunftsrates und bei allen 49 Persönlichkeiten bedanken. In Gesprächen mit Mitgliedern im Zukunftsrat ist deutlich geworden, dass es zum großen Teil an der straffen, fachkompetenten und zielführenden Leitung der Diskussionen durch Frau Dr. Tanneberger vom Greifswalder Moorzentrum und Prof. Dr. Vöpel aus Hamburg zu verdanken ist, dass unter den schwierigen Pandemiebedingungen in dieser kurzen Zeit ein solches Ergebnis erzielt wurde.

Dieses Land braucht eben doch Visionen! Die klugen Menschen, die sie dann in realistische Politikansätze übersetzen, die haben wir!  

Enden möchte ich mit einem Zitat aus dem Bericht: „Zukunft beginnt genau jetzt! Nicht erst nach der Wahl oder in der nächsten Legislaturperiode. Was lange dauert, muss jetzt begonnen werden.“

Vergessen Sie das bitte nicht!