Dr. Hikmat Al-Sabty: Antrag der Fraktion Bündnis90/DIE GRÜNEN „Rote Linie bei Abschiebungen nicht überschreiten“

Sehr geehrte Präsidentin,

sehr geehrte Abgeordnete,

Abschiebungen zwingen Menschen, die sich sowieso schon in einer Ausnahmesituation befinden, ihr neues Zuhause – einen Ort des zur Ruhe Kommens und des endlich wiedergefundenen Friedens – wieder ad hoc zu verlassen. Welche Ängste und Paniken das auslöst, kann sich jeder einigermaßen emphatische Mensch vorstellen.

Das sogenannte „Asylpaket II“ mit drastischen Verschärfungen im Asylrecht sollte eigentlich gestern im Bundeskabinett beschlossen werden. Aber es gibt noch keine Einigkeit unter den Koalitionären. Die Beschlussfassung wurde verschoben. Womöglich, weil das „Asylpaket II“ – das bestimmt zum Unwort des Jahres werden wird – zu rigide und menschenrechtswidrig ist? Gibt es ein Einsehen bei SPD und CDU?

Vorgesehen sind Verschärfungen im Asylrecht, die vielen Asylbewerberinnen und Asylbewerbern weitere Nachteile bringen werden und zu weiteren Ungerechtigkeiten führen. Dazu gehört auch das beschleunigte Asylverfahren.

·         Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten, wie zum Beispiel Serbien, Bosnien-Herzegowina und Albanien,

·         Menschen, die Folgeanträge gestellt haben und

·         Flüchtende ohne gültige Papiere sollen innerhalb einer Woche einen abschließenden Bescheid zum Ergebnis des Asylantrags bekommen.

Eine Woche, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist deutlich zu kurz, um über die tatsächliche Situation, die Fluchtgründe und Gefährdungen im Herkunftsland zu befinden. Damit kann ein faires Asylverfahren gar nicht erst stattfinden. Allein bei den Asylantragstellern aus den vermeintlich sicheren Herkunftsstaaten trifft dies für bis zu ein Drittel aller Anträge zu.

Menschen auf der Flucht haben auch nicht unbedingt Papiere bei sich oder haben diese zum Zeitpunkt des Eintreffens im Aufnahmeland verloren oder sie wurden gestohlen. Wie groß die Zahl der Menschen ohne Papiere ist, kann ich nur schätzen aber es werden einige sein. 

Dies zeigt, dass es zu schnell und ungeprüft zu Abschiebungen kommt. Und das ist nicht zu verantworten.

Wenn nicht hinterfragt wird oder in der Kürze der Zeit in Erfahrung gebracht werden kann, welche Situation die Menschen in ihren Herkunftsländern erwartet, wird blind in Kauf genommen, dass diese Menschen durch Abschiebungen in große Gefahr gebracht werden. Und das per Bundesgesetz, meine Damen und Herren.

Es ist nicht selten eine Gefahr für Leib und Leben. Es betrifft in vielen Fällen Familien mit Kindern, das muss ich hier noch einmal deutlich hervorheben.

Abschiebungen sind willkürlich und grundsätzlich menschenrechtswidrig!

Ich möchte Ihnen ein paar Beispiele nennen:

·         Die Minderheit der Roma, werden zum größten Teil wieder in die Herkunftsländer zum Beispiel auf dem Balkan zurückgeschickt. Roma, meine Damen und Herren werden dort massiv diskriminiert und haben oft keinen Zugang zu existenziell Notwendigem, wie beheizbarem Wohnraum, sauberem Trinkwasser und ärztlicher Versorgung. Unter ihnen sind viele Kinder.

·         Ich frage Sie, Frau Hesse, hört Ihr Einsatz für das Kindeswohl bei diesen Kindern auf? Die UN-Kinderrechtskonvention gilt für jedes Kind, unabhängig von Status und Herkunft.

·         Ein weiteres Beispiel sind die Opfer von Zwangsprostitution. Frauen und Mädchen, die Opfer von Zwangsprostitution werden, haben ein Aufenthaltsrecht nur, wenn sie im Strafverfahren aussagen. Ist das Strafverfahren abgeschlossen, müssen sie gehen.

·         Unter anderem die Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes fordert von der Politik, den Opfern von Menschenhandel und Zwangsprostitution ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht zu geben. Denn die drohende Abschiebung, erhöht den Druck, mit dem Menschenhändler und Zuhälter die Frauen und Mädchen gefügig machen und gefügig halten. Viele Frauen bleiben aus Angst vor der Abschiebung bei ihren Peinigern. Zudem sind die Frauen und Mädchen nach einer Abschiebung in die Heimatländer dort ebenfalls schutzlos ausgeliefert.

Wir haben eine Gesamtverantwortung, wenn es darum geht, Menschen: Kindern, Frauen, Älteren und Männern nach unseren Möglichkeiten Sicherheit zu geben und auch bei Entscheidungen, IHNEN DIE SICHERHEIT WIEDER ZU NEHMEN.

Es wurden in der Vergangenheit auch immer wieder Asylbewerberinnen und -bewerber ohne Anerkennung in Abschiebehaft genommen. Asylbewerberinnen und Asylbewerber sind aber keine Straftäter, meine Damen und Herren!! Das Schlimmste daran ist, dass in der Vergangenheit auch in Mecklenburg-Vorpommern Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren darunter waren. Das ist unfassbar, Minderjährige wegen eines Asylbegehrens in Haft zu nehmen. Das IST Kindeswohlgefährdung – nichts anderes – und es widerspricht ganz klar der UN-Kinderrechtskonvention.

Meine Damen und Herren, es darf nicht strafbar sein, dass Menschen auf der Suche nach Sicherheit und Perspektive für sich oder ihre Kinder zu uns kommen.

Worauf wir uns konzentrieren müssen ist, eine gut funktionierende Aufnahme und Unterbringung und die Integration in unsere Gesellschaft. Wir brauchen jede und jeden in unserer Gesellschaft.

Wir stehen Abschiebungen äußerst ablehnend gegenüber. Eine Rückkehr in die Herkunftsländer darf aus humanitären Gründen nur freiwillig erfolgen. Bestehende Programme, wie das REAG/GARP-Programm – wie hier im Antrag aufgeführt - zur bundesweiten Unterstützung für eine freiwillige Rückkehr geben hierfür eine Rückkehrförderung und Starthilfe.

Der vorliegende Antrag ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Er bezieht sich, wie wir zuvor schon gehört haben, auf die zu vermeidenden Abschiebungen von Kindern und Familien.

Die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN beantragt, dass Abschiebungsmaßnahmen in der Nacht, im Mutterschutz, aus Schulen und Kitas unterbleiben sollen. Das gebietet die Menschlichkeit und es ist eine Schande, dass das mit einem Antrag im Parlament überhaupt erst gefordert werden muss.

Des Weiteren wird gefordert, dass beeidigte Dolmetscherinnen und Dolmetscher die Abschiebung begleiten. Das ist ein unerlässlicher Schritt zum Schutz der Kinder und weiterer Angehöriger.

Und schließlich wird gefordert, dass sich die zwangsweisen Abschiebungen verringern und stattdessen freiwillige Ausreisen befördert werden sollen.

Als ein erster Schritt in die richtige Richtung stimmen wir dem Antrag zu.

Wir müssen aber dazu kommen, meine Damen und Herren, dass Menschen, die vor Menschenrechtsverletzungen, Kriegen und politischer Verfolgung geflohen sind, nicht abgewiesen oder abgeschoben werden dürfen. Dies gilt auch für Menschen, die in ihren Herkunftsländern massiven Diskriminierungen oder Gefahren ausgesetzt sind, unabhängig davon, ob die Länder als vermeintlich sicher eingestuft wurden.