Dr. Hikmat Al-Sabty: Abschlussbericht der Enquete-Kommission “Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“

Frau Präsidentin,

sehr geehrte Abgeordnete,

liebe Kolleginnen und Kollegen in der Enquete-Kommission,

4 ½ Jahre intensive und gute Zusammenarbeit zwischen den demokratischen Fraktionen in der Enquete-Kommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ gehen nun zu Ende. Heute legen wir, die Mitglieder der Kommission, dem Landtag unseren dritten, und damit letzten Bericht - den Abschlussbericht - vor.

Dies gibt uns Zeit und Gelegenheit Bilanz zu ziehen, einen Blick zurück und einen nach vorne zu werfen.

Zunächst der Rückblick und die Bilanz:

Die im Einsetzungsbeschluss gesteckten Ziele, der Landespolitik konkrete Maßnahmen vorzuschlagen – ich zitiere – „die geeignet sind, den Teilhabe- und Versorgungsansprüchen einer älter werdenden Bevölkerung Rechnung zu tragen“ und dabei „das künftige Miteinander der verschiedenen Generationen“ und „die Organisation von Chancengerechtigkeit“ zu betrachten, haben wir nun gemeinsam erfüllt.

Die Abstimmungsprozesse zur Findung des größtmöglichen gemeinsamen Nenners – nicht etwa des kleinsten gemeinsamen Nenners – haben uns viel Zeit, fachliche Expertise und argumentative Auseinandersetzungen abverlangt. Doch, die Arbeit hat sich gelohnt!

Herausgekommen sind aus Sicht meiner Fraktion viele gute, zukunftsweisende Empfehlungen. Sie sind es wert, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden und von den kommenden Regierungs- und Oppositionsfraktionen als Grundlage für ihr politisches Handeln genutzt zu werden.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Enquete-Kommission hat sich mit einer Vielzahl von Themen auseinandergesetzt, die für das Leben der Menschen in unserem Land heute und morgen von großer Bedeutung sind und sein werden. Der politische Wille, sich den Herausforderungen des demografischen Wandels zu stellen, sie als Chance zu betrachten und gute Lösungsansätze für die Zukunft zu erarbeiten, war für uns alle bindend.

Der Focus auf die besondere Situation älterer Menschen und deren Bedürfnisse hat uns gleichzeitig motiviert, für alle Menschen, die mit körperlichen, seelischen oder sozialen Hindernissen zurechtkommen müssen, gute Angebote zu unterbreiten.

Meine Fraktion ist dabei nicht müde geworden, den Gedanken der Inklusion als eine umfassende gesellschaftliche Gesamtaufgabe in die Arbeit der Kommission hineinzutragen und in allen Themenfeldern die Fragen der Barrierefreiheit und Chancengerechtigkeit zu behandeln. Dabei haben wir stets den Anspruch auf Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in allen Teilen unseres Landes und das solidarische Miteinander aller Generationen im Blick behalten.

Gleichzeitig haben wir unsere Arbeit immer als dynamischen Prozess verstanden, der nicht mit der Verabschiedung von Handlungsempfehlungen einzelner Themenfelder endet, sondern darüber hinaus eine stetige - auch zukünftige – aktive, politische Auseinandersetzung erfordert und vorsieht.

Sehr geehrte Damen und Herren,

In einer festgelegten Schrittfolge haben wir uns den einzelnen Themenfeldern genähert, sie bearbeitet und schließlich unsere gemeinsamen Handlungsempfehlungen entwickelt.

Grundlage waren stets wissenschaftliche Analysen und Gutachten, die – ausgehend von den konkreten Fragestellungen der Kommissionsmitglieder - in Auftrag gegeben wurden.

In den regelmäßig stattfindenden öffentlichen Sitzungen der Kommission wurden zunächst die Ergebnisse dieser Gutachten vorgestellt und die Strategien der Landesregierung vorgetragen. Anschließend wurde beides durch die Fachkenntnisse zahlreicher Experten bewertet und ergänzt.

Anliegen der Enquete-Kommission war es zudem, nicht im stillen Kämmerlein zu arbeiten, sondern auf die Menschen im Land zuzugehen und Ihre Erfahrungen und Hinweise einzubeziehen.

Eingeflossen in die Erarbeitung der Handlungsempfehlungen sind daher ebenfalls die Ergebnisse mehrerer Workshops, die in den Lupenregionen Vorpommern/ Greifswald und Ludwigslust/Parchim zu den einzelnen Themen durchgeführt wurden. Dort wurden intensive Gespräche mit den lokalen Akteuren und engagierten Menschen vor Ort geführt und Ansätze für die Handlungsempfehlungen entwickelt.

Meine Fraktion hat sich ebenfalls gut für die Arbeit innerhalb der Kommission aufgestellt und sich aktiv und intensiv eingebracht. In wöchentlichen, oftmals mehrstündigen Arbeitskreissitzungen und im engen Austausch mit unseren nichtparlamentarischen Mitgliedern haben wir zu den unterschiedlichen Fragestellungen diskutiert, Haltungen erarbeitet und strategische Ziele formuliert. Der Erfahrungsaustausch mit Fachleuten in und außerhalb unseres Landes war dabei immer hilfreich und bereichernd. Zur konkreten Erarbeitung der Handlungsempfehlungen hat der Arbeitskreis meiner Fraktion mehrere Klausurtage im Land organisiert, an denen wir Einrichtungen kennengelernt und Menschen vor Ort beteiligt haben. Gemeinsam mit den Fachpolitikerinnen und -politikern sowie den Fachreferentinnen und –referenten meiner Fraktion sind schließlich unsere Empfehlungen entstanden, die wir in den Verhandlungsprozess eingebracht haben.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie sehen, haben viele Menschen an der Erarbeitung des nun vorgelegten Abschlussberichtes mitgewirkt. Und es ist Zeit, sich dafür auch hier im Landtag zu bedanken. Das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich tun:

Ich bedanke mich stellvertretend für meine Fraktion und als Obmann in der Enquete-Kommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ ganz herzlich:

-          bei allen nichtparlamentarischen Mitgliedern der Kommission, die sich ehrenamtlich und mit großem persönlichen und fachlichen Engagement in die Arbeit der Kommission eingebracht haben!

Mein besonderer Dank gilt hier natürlich unseren Mitgliedern:

Dr. Barbara Syrbe, Margit Glasow, Dr. Andreas Speck und Dr. Wolfgang Weiß

-          bei allen Abgeordneten der demokratischen Fraktionen für die angenehme, kollegiale und konstruktive Zusammenarbeit

-          bei allen Experten aus Wissenschaft und Praxis, den Gutachtern, Anzuhörenden, Akteuren vor Ort, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesregierung, der Ministerien und nachgeordneter Bereiche für die fachliche Unterstützung

-          bei allen wissenschaftlichen Referenten der demokratischen Fraktionen für die gute und verlässliche Unterstützung bei der Koordination und inhaltlichen Arbeit

-          bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sekretariats für die engagierte organisatorische und fachliche Begleitung sowie

-          bei allen Mitstreiterinnen und Mitstreitern in meiner Fraktion, die unsere Arbeit bereichert und qualifiziert haben.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Zu den Themenfeldern „Wohnen im Alter“ sowie „Mobilität“ und „Alter und Gesundheit/ Pflege“ haben wir in den Landtagssitzungen im Mai 2015 bzw. im Februar dieses Jahres bereits ausführlich debattiert. Daher möchte ich heute auf diese Themen nicht noch einmal eingehen.

Seit der Einbringung des zweiten Zwischenberichtes zu Beginn des Jahres 2016 haben wir uns zu folgenden Themen verständigt:

-          „Bildung und Arbeit“

-          „Bürgerschaftliches Engagement/ Gesellschaftliche Teilhabe“ sowie

-          „Infrastruktur und Daseinsvorsorge“.

Innerhalb von knapp vier Monaten haben wir gemeinsam eine Vielzahl von Handlungsempfehlungen erarbeitet, die wir intensiv beraten und verhandelt haben.

Aufgrund des enormen Zeitdrucks war es jedoch nicht immer möglich, die nach unserem Erachten notwendige Tiefgründigkeit in der Auseinandersetzung zu erreichen.

Das finden wir sehr schade!

Auch aktuell politische Themen, wie zum Beispiel zu Fragen der Zuwanderung und Integration von Geflüchteten, haben aus Zeitgründen keinen Eingang in den Bericht der Enquete-Kommission gefunden. Auch das bedauern wir sehr.

Wir sind jedoch sehr froh darüber, dass in den Empfehlungen zum Themenfeld „Arbeit im Alter“ viele linke Positionen erkennbar sind.

So haben zum Beispiel:

-          die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit, insbesondere von älteren Menschen, als Schwerpunktthema des „Bündnisses für Arbeit“ sowie

-          die Stärkung der Prävention und des betrieblichen Gesundheitsschutzes im Rahmen einer Landespräventionsstrategie Eingang in die gemeinsamen Handlungsempfehlungen gefunden.

Unsere weitergehenden Empfehlungen haben wir der Kommission in einem Sondervotum vorgelegt, welches die grundsätzliche Überwindung von Hartz IV zum Ziel hat.

Hierin enthalten sind beispielsweise:

-          konkrete Empfehlungen zur Wiedereinführung der öffentlich-geförderten Beschäftigung, der eine Brückenfunktion zwischen Arbeitslosigkeit und regulärem Arbeitsmarkt zukommen soll.

-          Vorschläge zur Finanzierung von Arbeit statt von Arbeitslosigkeit durch die Einführung des sogenannten Aktiv-Passiv-Tausches in Mecklenburg-Vorpommern sowie

-          die Berücksichtigung der Bedarfe von Menschen mit Behinderungen in der Arbeitswelt - auch in den Werkstätten - und ihre soziale Absicherung.

Soziale Belange, wie z.B. die voranschreitende Altersarmut, haben wir in unseren Handlungsempfehlungen stets berücksichtigt. Gerade für das „Bürgerschaftliche Engagement“ und die „gesellschaftliche Teilhabe“ spielen diese und die besonderen Herausforderungen des Flächenlandes eine sehr wichtige Rolle.

Wir freuen uns daher, dass folgende Empfehlungen konsensfähig waren:

-          der niederschwellige und kostenfreie Zugang zu Qualifizierungsmaßnahmen für Engagierte,

-          die schnelle und unbürokratische Erstattung von Fahrtkosten und Aufwandsentschädigungen im Ehrenamt,

-          die Einführung einer landesweit gültigen Ehrenamtskarte als Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung.

Einig waren wir uns auch darin, dass es keine Anrechnung von Aufwandsentschädigungen auf Sozialleistungen geben darf. Eine grundsätzliche, linke Position – von allen mitgetragen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

auch im Themenfeld „Infrastruktur und Daseinsvorsorge“ finden sich viele unserer Positionen wieder.

So haben wir z.B. gemeinsam das Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in allen Landesteilen formuliert. Die Einführung von Regionalbudgets, insbesondere in den „Ländlichen GestaltungsRäumen“, soll zumindest geprüft und erprobt und der Seniorenanteil als Kriterium beim kommunalen Finanzausgleich berücksichtigt werden. Auch die Klärung der Eigentumsverhältnisse für Leistungen der Daseinsvorsorge: wie z.B. für den Breitbandausbau und die Rekommunalisierung von Krankenhäusern sollen geprüft und Genossenschaftsmodelle in besonderem Maße unterstützt werden.

Empfehlungen, die nicht konsensfähig waren, finden sich u.a. in unserem gemeinsamen Sondervotum mit den Bündnisgrünen zur „Kultur als Teil der Daseinsvorsorge“ wieder.

Für uns nicht nachvollziehbar ist, dass ein für die demokratische Verfasstheit unseres Landes und für das Zusammenleben der Menschen so wichtiges Thema nicht Bestandteil der Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission ist. Darum haben wir gemeinsam konkrete Vorschläge unterbreitet. Zukünftig sollen Kunst und Kultur gesetzlich geschützt werden, die Kommunen in die Lage versetzt werden, auch die nicht-pflichtigen Aufgaben (wie z.B. Kultur) zu erfüllen und interkulturelle, generationenübergreifende und mobile Angebote besonders unterstützt werden.

Und nun der versprochene Blick nach vorne:

Für die Arbeit einer zukünftigen Enquete-Kommission – und ich gehe fest davon aus, dass dieses bewährte parlamentarische Instrument wieder genutzt werden wird, um Zukunftsfragen aufzugreifen – möchte ich heute im Namen der nichtparlamentarischen und parlamentarischen Mitglieder meiner Fraktion, noch ein paar Hinweise geben:

1.      die Mitwirkungsrechte der nichtparl. Mitglieder sollten gestärkt werden, z.B. indem fraktionsübergreifende, thematische Arbeitsgruppen gebildet und der Sitzungsbeginn auf den Vormittag gelegt werden.

2.      Ausschreibungen für Gutachten sollten so früh wie möglich und so erteilt werden, dass ein Bearbeitungszeitraum für die Auftragnehmer von mind. 6 Monaten ermöglicht wird.

3.      Die Öffentlichkeitsarbeit ist von Anfang an umfassend und vielfältig anzugehen.

Life-Stream-Übertragungen der EK-Sitzungen sind zu ermöglichen.

Der Internetauftritt sollte nutzerfreundlicher gestaltet werden und

der internationale Erfahrungsaustausch ermöglicht werden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Meine Fraktion wird dem Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ zustimmen.