Aussprache der AfD:"Asylpolitik in der Sackgasse – Bürgerwillen ernst nehmen!"

Steffi Pulz-Debler

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Kolleg*innen Abgeordnete,
„Jeder hat ein Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.“
So lautet Artikel 3 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, beschlossen von den
Vereinten Nationen im Dezember 1948.
Seit Jahren versuchen europäische Regierungen, Grenzkontrollen zu installieren, um den
Zustrom von Menschen nach Europa zu begrenzen, zu unterbinden oder nach ihrem
Verständnis im besten Fall zu stoppen. Und das auch unter Einsatz des Militärs.
Unter dem Druck von Rechtspopulisten werden strengere Kontrollen mit dem Ziel
durchgeführt, Menschen, die Opfer von Verfolgung, Bürgerkriegen, Klimawandel,
Unterdrückung und jeglicher Form von sexualisierter Gewalt sind, abzuhalten, Europa und
damit Schutz zu erreichen!
In den vergangenen dreißig Jahren sind mehr als 51.300 Menschen bei ihrer Flucht nach
Europa durch die europäische Abschottungspolitik ums Leben gekommen.
Menschenrechte gelten offenbar nicht für alle Menschen gleichermaßen.
Die Asylpolitik der EU ist offenbar in einer Sackgasse angelangt.
Seitdem der tunesische Präsident Verschwörungserzählungen über einen angeblichen „großen
Austausch“, also rassistische Fantasien über Schwarze, die angeblich die tunesische
Bevölkerung ersetzen wollen, verbreitet, kommt es im Land verstärkt zu Hetzjagden und
massiven Verfolgungen von Personen aus Subsahara-Afrika, aber auch von schwarzen
Tunesiern.
Brutale Übergriffe, Razzien und willkürliche Inhaftierungen gehen für viele Menschen, für
die Tunesien bis dahin ein Perspektivland war, mit dem Verlust ihrer Jobs und Wohnungen
einher.
Das massenhafte Festsetzen von Schwarzen Menschen in der Wüste im Juli 2023 ist der
vorläufige Tiefpunkt der gewaltvollen Repressionen.
Gleichzeitig geht die EU ein Migrationsabkommen mit Tunesien ein, welches nichts weiter
als ein schmutziger Deal ist, der einem autoritär regierten Land hunderte Millionen Euro
verspricht, um die Flucht über das Mittelmeer einzudämmen und Menschen auf der
berechtigten Suche nach Schutz zu blockieren und festzuhalten.
Es sind jetzt zwei Monate seit der Unterzeichnung des Abkommens vergangen. In Tunesien
hat sich nichts verändert und die Flüchtlingszahlen über das Mittelmeer sind weiter stark
angestiegen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Kolleg*innen Abgeordnete,
wer Schiffsbrüchige auf hoher See antrifft, muss diese retten.
Seenotrettung ist nicht lediglich eine moralische Verpflichtung, sondern nach internationalem
Recht eine Pflicht!
Trotz des seit Jahren anhaltenden Zustromes von Geflüchteten gibt es kein durch die EU-
Mitgliedsstaaten finanziertes und koordiniertes Seenotrettungsprogramm, bei dem
ausreichend Schiffe zum Zweck der Seenotrettung eingesetzt werden. Zivile
Seenotrettungsorganisationen übernehmen, unterfinanziert und mit Vorwürfen und Schikanen
konfrontiert, diese wichtige Aufgabe, Menschenleben zu retten!
Das Jahr 2023 zählt schon jetzt zu einem der tödlichsten im Mittelmeer.
Seit Anfang 2023 gab es acht Festsetzungen von zivilen Seenotrettungsschiffen durch die
italienischen Behörden und Geldstrafen von bis zu 10.000 Euro.
An 160 Tagen konnten zivile Seenotrettungsschiffe dadurch keine Rettungen durchführen,
Menschenleben werden bewusst zum Spielball und weitere Tote auf dem Mittelmeer in Kauf
genommen – unterstützt durch die schweigende Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten.
Die Asylpolitik der EU steckt in einer Sackgasse.

Frau Präsidentin,
Kolleg*Innen Abgeordnete,
ich erlaube mir einen kurzen Erfahrungsbericht.
Es ist Samstag, der 2. September. Die „Mare*Go“, ein ziviles Seenotrettungsschiff aus
Mecklenburg-Vorpommern, legt am Vormittag in Licata, Sizilien, ab und ist nach intensiven
Tagen des Trainings mit ihrer 7-köpfigen Crew unterwegs ins zentrale Mittelmeer, um ihren 5.
Einsatz zwischen Lampedusa und Tunesien durchzuführen.
Derzeit sind drei zivile Seenotrettungsschiffe in Italien festgesetzt.
Außer der „Mare*Go“ wird nur ein weiteres Seenotrettungsschiff auf der tunesischen Route
aktiv sein.
Die Wetterprognosen zeigen nur ein kleines Zeitfenster der Beruhigung des Meeres an,
heftige Stürme sind für die kommende Woche zu erwarten. Die Crew ist in Sorge in
Anbetracht der Tatsache, dass Menschen in völlig seeuntauglichen Booten dadurch einem
noch größeren Risiko ausgesetzt sind.
Nach 24 Stunden Fahrt hat die „Mare*Go“ Lampedusa hinter sich gelassen und befindet sich
nun in der italienischen Such- und Rettungszone.
Die Realitäten des Mittelmeers, einer der gefährlichsten Fluchtrouten, werden sichtbar.
Wir passieren kleine, leer dahintreibende Boote, deren Schicksale ungeklärt sind und Fragen
offenlassen. Treibende Autoreifen, die in irgendeiner Form als Schwimmweste helfen sollten,
sind ebenfalls Realität.
Es ist der Morgen des 4. Septembers, uns erreicht ein Hilfegesuch der „Nadir“, dass weitere
Rettungsschiff der zivilen Flotte, welches aktuell im Einsatz ist. Gemeinsam stabilisieren wir
ein kleines überfülltes, seeuntaugliches Eisenboot, mit 46 Menschen an Bord, welches von
Tunesien nach Lampedusa unterwegs ist. Die „Nadir“ wird das Boot in den kommenden
Stunden in der Hoffnung begleiten, die Menschen an die italienische Küstenwache übergeben
zu können.
Nur kurze Zeit später erreichen uns neue Koordinaten eines sich in Seenot befindlichen
Bootes. Es wird ein kleines Holzboot sein. Wir verteilen Schwimmwesten und Wasser und
erleben das „Auf-Zeit-Spielen“ der italienischen Behörden. Fast 6 Stunden später können wir
endlich die Menschen an die italienische Küstenwache übergeben.
Das Wetter wird zusehends rauer. Uns erreicht erneut ein Hilfegesuch der „Nadir“. Wir treffen
auf zwei Boote mit 85 Menschen an Bord, darunter mehrere Babys und Frauen. Mit
zunehmendem Wind und Wellen dringt Wasser in die Boote ein. Als Schiffe der italienischen
Küstenwache eintreffen, sinkt eines der Boote während der Rettung und innerhalb von
Sekunden befinden sich ein Dutzend Menschen im Wasser.
Am Horizont sehen wir drei weitere Boote. Zwei von ihnen werden leer sein, eines überfüllt
und mit dankbaren Menschen, als wir uns ihrer Rettung näherten.
Das ist die Realität im Mittelmeer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Kolleg*Innen Abgeordnete,
Asylpolitik ist in der Sackgasse, wenn Menschenrechte und Menschlichkeit im Mittelmeer
sterben!
Asylpolitik ist in der Sackgasse, wenn schmutzige Deals mit Autokraten geschlossen werden,
um das eigene jahrelange Versagen noch irgendwie übertünchen zu wollen!
Asylpolitik ist in der Sackgasse, wenn sich EU-Mitgliedsstaaten gegen eine solidarische
Verteilung von Schutzsuchenden stellen.
Asylpolitik ist in der Sackgasse, wenn die EU-Kommissionspräsidentin die Ausweitung von
Marineeinsätzen im Mittelmeer ausloten möchte!
Asylpolitik ist in der Sackgasse, wenn Menschen statt Fluchtursachen bekämpft werden!
Asylpolitik ist in der Sackgasse, wenn Rechtspopulisten Ängste schüren und mit ihrem Hass
und ihrer Hetze die Gesellschaft spalten!
Und der aktuellen Bundesregierung fällt dazu nichts anderes ein, als die Entwicklungshilfe
und die Mittel für die Integrationsberatung zu kürzen.
Weniger Entwicklungshilfe bedeutet noch mehr Gründe zur Flucht.
Weniger Beratungshilfe bedeutet weniger Integration.
Was macht diese Bundesregierung?
Was will diese Bundesregierung?
Es ist unfassbar: Statt die Fluchtursachen endlich wirksam zu bekämpfen, werden die
Rahmenbedingungen dafür und für die Integration von Geflüchteten in unserem Land
verschlechtert?!
Das ist nicht nur eine Sackgasse, sondern verantwortungslos und Wasser auf die Mühlen der
Rechtspopulisten, die nur darauf warten, dass sich die Situation weiter zuspitzt.
Herr Scholz, Frau Baerbock, Herr Lindner – hören Sie damit auf, beenden Sie diese
unsägliche Politik.
Der Club of Rome hat schon vor fünfzig Jahren davor gewarnt und der ehemalige Chef des
Internationalen Währungsfonds, Michel Camdessus, wahrlich kein grüner Fanatiker, erwartet
in den nächsten Jahrzehnten 200 Millionen Umweltflüchtlinge aus Afrika und meint dazu (ich
zitiere): „Die kommen nicht hierher nach Europa, um reich zu werden, sondern um zu
überleben.“