Archäologische Schätze im Tollensetal touristisch erschließen

Jeannine Rösler

Frau Präsidentin,
meine Damen und Herren,
Natur pur!
Jeder Tag, jeder Morgen und jeder Abend tauchen das Tal und sein Flüsschen in ein anderes
Licht. Hunderte Bilder sind entstanden, während ich an und auf der Tollense seit meiner
Kindheit unterwegs bin. Ich genieße die herrliche Stille, die Beschaulichkeit beim Laufen auf
den Landwegen, die den Fluss zwischen Sanzkow, Burg Osten, Broock und Wietzow
begleiten. Und hier begegne ich auch so manch scheuem Bewohner des Tals, dem Biber, dem
Eisvogel oder gar dem Wolf mit seinem Nachwuchs.
Manchmal scheint es, als sei die Zeit stehen geblieben.

Meine Damen und Herren,
es ist die Zeit als – fernab von den nordeuropäischen Urstromtälern – die alte Welt der späten
Bronzezeit im östlichen Mittelmeerraum zusammenbrach – das Reich der Hethiter, die
Burgen der Mykener in Griechenland, das sagenumwobene Troja. Wer kennt ihn nicht den
„Ilias“, Homers Epos über den mythischen Krieg vor Troja. Die Welt bebte, sie bebte
nachgewiesenermaßen auch im Tollensetal. Vor etwa 3300 Jahren fanden dort wohl Tausende
zumeist junge Männer in einem blutigen Gemetzel den Tod.
Meine Damen und Herren,
kehren wir zurück in die Neuzeit, in die Mitte der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts.
Die einstigen Sümpfe, Moore und Auwälder an der Tollense sind der Kulturlandschaft des
Menschen gewichen. Einst durchgängig beschiffbar, kann der heutige Flusslauf mit seinen
Wehren nur mit Kanu, Kajak oder Ruderboot befahren werden. Wer jemals paddelnd auf der
beschaulichen Tollense mit seinen unverbauten Ufern und dem freien Blick in die Landschaft
unterwegs war, wird mir zustimmen: Dieses Erlebnis an sich ist schon faszinierend. Aber wie
unglaublich aufregend und faszinierend muss es erst sein, wenn an der Uferböschung
plötzlich ein Oberarmknochen mit einer Pfeilspitze aus Feuerstein entdeckt wird. Seit dieser
Entdeckung durch einen ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger sorgen im Tollensetal
zwischen Klempenow und Altentreptow archäologische Funde aus der nordeuropäischen
Bronzezeit für Furore, u.a. auch mit dem ältesten Zinnfund Deutschlands (Spiralfingerringe).
Es ist kaum zu glauben, die idyllische Tollense fließt über zwei Kilometer durch das wohl
älteste Schlachtfeld Mitteleuropas – in Ort, der zu den 50 weltweit bedeutendsten
archäologischen Fundstätten gehört. Nur 20 Kilometer Luftlinie von meinem Zuhause. Wow!
Lassen Sie uns diesen Wow-Effekt für viele Einheimische und Gäste aus nah und fern
erlebbar machen. Nutzen wir die Einzigartigkeit der Funde und die gewonnenen Erkenntnisse
der Forschung, machen wir sie einem breiten Publikum dauerhaft zugänglich.
Dazu bekennt sich dieser Antrag und, so hoffe ich, auch eine große Mehrheit des Landtages.
Er bekennt sich auch dazu – und das ist enorm wichtig –, dass die Artefakte und Fundstellen
alsbald gesichert werden.
Die Zeit drängt, denn durch die Meliorationsmaßnahmen in den 50er und 60er Jahren und
durch den Klimawandel wird der Moorkörper immer trockener und die natürliche
Konservierung geht verloren.

Meine Damen und Herren,
die Region des Tollensetals ist reich an Schätzen: die traumhafte Natur, die
außergewöhnlichen archäologischen Schätze und eine Fülle an Bodendenkmälern, aufgereiht
wie Perlen an einer Kette. Aber auch die Menschen, die hier leben und sich engagieren, ob in
der Dorf- und Stadtentwicklung, im Naturschutz, in Kunst und Kultur, als ehrenamtliche
Bodendenkmalpfleger, als Unternehmer oder wo auch immer, sind ganz besondere Schätze.
Dank ihnen fangen wir nicht bei null an.
Dank ihnen können wir an so vielen Stellen anknüpfen, um den geschichtsträchtigen Erlebnis-
und Kulturraum weiterzuentwickeln, um die Akteure noch besser zu vernetzen, die
kommunale Zusammenarbeit zu stärken, aber auch um alte Landwege wieder begehbar und
für das Rad befahrbar zu machen.
Auch die geografische Lage zwischen Küste und der Seenplatte ist ein großes Pfund – und all
die längst vorhandenen Ankerpunkte sowieso, die Burg Klempenow, die historische Altstadt
von Altentreptow, die Konzertkirche Golchen, die Wietzower Gutsanlage, der Broocker
Schlossberg und das Broocker Gutsensemble, Burg Osten und weitere Niederungsburgen.

Meine Damen und Herren,
seit tausenden von Jahren schlängelt sich die Tollense geschmeidig durch das eiszeitliche
Urstromtal.
Dieses Flüsschen in seinem Lauf vom Tollensesee bis hin zur Peene birgt so viele
Geheimnisse, so viele Geschichten, so viele Schönheiten und Bemerkenswertes.
Lassen Sie uns gemeinsam diese Schätze bergen und bewahren.