Mecklenburg-Vorpommern als Land der Chancen – Verantwortungsvolle Migrations- und Integrationspolitik

Steffi Pulz-Debler

Sehr geehrte Frau Präsidentin
liebe Kolleg*innen Abgeordnete,
ich schäme mich in den letzten Tagen und Wochen über mein Privileg weiß, deutsch und
westeuropäisch zu sein. Ein Privileg, welches ich nur durch den Zufall, hier geboren zu sein,
erworben habe, ohne etwas dafür zu tun! Ein Privileg, welches mir Freiheit und ein Leben in
Sicherheit für mich und meine Liebsten gewährt. Ein Privileg, aus dem heraus politische
Entscheidungen getroffen werden, die zusehends Menschen-, Grund- und Freiheitsrechte
vergessen lassen. Die Debatten und Lösungsansätze vieler politischer Akteur*innen in den
letzten Wochen schockieren mich: Abschottung, Abschiebung, Lager, Sterbenlassen an den
Außengrenzen und im Mittelmeer und das Zeichnen eines Bildes, welches Deutschland,
welches die EU als möglichst unattraktiv für Menschen auf der Suche nach Schutz darstellen
sollen, bestimmen die Diskussion und die Handlungsempfehlungen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleg*innen,
auch die uns heute vorliegenden Anträge sprechen in der Mehrheit die Sprache von
Abschreckung und Abschottung. Voran möchte ich die europäischen Werte in unser aller
Erinnerung rufen: Die Werte, auf die sich die Union gegründet hat, sind die Achtung der
Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der
Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören.
Es liegen uns heute zwei Anträge vor, die sich der Reform des gemeinsamen Asylsystems
widmen möchten. Im Antrag der FDP wird davon gesprochen, dass der Landtag die
vorliegenden Reformvorschläge begrüßen soll und im Antrag der Grünen wird versucht, aus
den menschenunwürdigen Vorschlägen für bestimmte Gruppen noch irgendwie etwas
menschenrechtsähnliches herauszubekommen.
Für meine Fraktion, für DIE LINKE möchte ich ganz klar und deutlich sagen, wir können uns
hinter keine der Forderung stellen. Der als so historisch gefeierte Kompromiss zur Reform des
Gemeinsamen Europäischen Asylsystems – kurz GEAS, der von einigen Akteur*innen nur
mit Bauschmerzen Zustimmung gefunden hat, ist nichts weiter als eine erneute Aushebelung
des Grundrechts auf Asyl und eine weitere Abwendung von den europäischen Werten.
Die Vorschläge der EU-Innenminister beinhalten die Einführung verpflichtender
Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen. Asylsuchende sollen für die Dauer der Verfahren
an den Grenzen rechtlich als noch nicht eingereist gelten. Um diese Fiktion der Nicht-Einreise
durchsetzen zu können, müssen die Betroffenen faktisch inhaftiert werden, so wie es jetzt
schon in den geschlossenen Auffanglagern auf den griechischen Ägäis-Inseln praktiziert wird.
Die damalige Aussage von „nie wieder Moria“ war schon damals eine Lüge und wird jetzt,
mit diesen Vorschlägen zu einem „Moria für alle“!
Bei dieser sich anbahnenden schrecklichen Tatsache hilft es wenig, wenn gefordert wird, dass
in den vorgesehenen Haftanstalten möglichst keine vulnerablen Gruppen landen.
Das Recht und die Gewährung auf Asyl gelten für ALLE MENSCHEN!!!
Auch die Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten ist eine immer wiederkehrende
Diskussion, die sich in den Reformvorschlägen wiederfindet und ein weiterer Versuch, der
ausschließlich dem Ziel folgt, Fluchtbewegungen zu verringern, indem Menschen suggeriert
werden soll, dass sie hier keine Chance auf Asyl haben.
Auch das hebelt nicht nur das Asylrecht weiter aus, da das Asylrecht ein individuelles Recht
ist und im Einzelfall geprüft werden muss, die Einstufung als sicheres Herkunftsland ist vor
allem eine politische Entscheidung, die kaum an einer menschenrechtlichen Einschätzung
orientiert ist. Georgien und Moldau, die unmittelbar vom russischen Angriffskrieg betroffen
sind, jetzt als sichere Herkunftsländer einstufen zu wollen, ist unserer Auffassung nach
unverantwortlich!
Unabhängig davon, dass die Debatte der Einstufung als sicheres Herkunftsland im Falle von
Georgien und Moldau eine Scheindebatte ist, da zum Beispiel Georgien mit Stand Mai 2023
mit 4310 Asylsuchenden im Vergleich zu den drei Hauptländern, Syrien, Afghanistan und
Türkei in wirklich keinem Verhältnis steht, hier ein paar Fakten zu diesen beiden Staaten.
Auf der Seite des Auswärtigen Amtes heißt es zur Republik Moldau: „Die Sicherheitslage
bleibt aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die benachbarte Ukraine in einigen
Regionen volatil.“ Und auf der Seite des Bundesministeriums Europäische und internationale
Angelegenheiten Österreich wird für die Republik Moldau von einem hohen Sicherheitsrisiko
mit Sicherheitsstufe vier im gesamten Land gewarnt!
In Georgien ist seit Monaten eine Politik der Regierung und eine Entwicklung zu verzeichnen,
die Demokratieabbau und politische Verfolgung zur Folge hätte, so bezeichnet der Vorsitzende
der Regierungspartei "Georgischer Traum" zum Beispiel Mitglieder der größten
Oppositionspartei als "Spione" und NGOs als "extremistische Organisationen".
Zur Einschätzung der Situation in Tunesien möchte ich auf die gemeinsame Erklärung von
zivilen Seenotrettungsorganisationen und Solidaritätsnetzwerken aufmerksam machen, die
nachdrücklich betonen, dass Tunesien weder ein sicheres Herkunftsland noch ein sicherer
Drittstaat ist.
In den letzten Monaten, so heißt es in der Erklärung, haben sich in Tunesien das harte
Vorgehen gegen vermeintliche politische Gegner*innen, gegen die Zivilgesellschaft und
gegen Minderheiten sowie der Anti-Schwarze Rassismus verschärft. Mehrere tunesische und
internationale Menschenrechtsorganisationen haben ihre Besorgnis zum Ausdruck gebracht
gegen die „Aushöhlung der Justiz, die Verhaftung von Kritiker*innen und politischen
Gegner*innen, die Militärprozesse gegen Zivilist*innen, die anhaltende Unterdrückung der
Meinungsfreiheit und die Bedrohung der Zivilgesellschaft“.
Das hört sich für uns alles andere als sicher an!

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Liebe Kolleg*innen,
als könnte es in der Debatte um eine Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems
nicht noch schlimmer kommen, zeichnet sich eine weitere Diskussion ab, auf die ich hier
dringend aufmerksam machen möchte: In der Debatte um das GEAS müssen sich die
Mitgliedstaaten im Rat noch auf eine weitere Verordnung einigen –
die Krisenverordnung. Im Dezember letzten Jahres wurde diese noch verhindert, doch
aktuell wird diese Verordnung wieder unter Hochdruck verhandelt. Die
Instrumentalisierungsverordnung lebt in dieser Verordnung wieder auf und wäre ein weiterer
Blanko-Check für Menschenrechtsverletzungen an den europäischen Außengrenzen!
Die Bundesregierung könnte, wenn sie wollte und ein letztes Stück Rückgrat hätte, diese noch
verhindern!
Worum geht es? Die Krisenverordnung besagt, dass im Falle von Krisen, höherer Gewalt und
Instrumentalisierung von Geflüchteten, diese als „hybrider Angriff“ verstanden werden
könnten. Diesen „hybriden Angriff“ – also die Menschen – soll es gelten abzuwehren, indem
man ihnen ihre Rechte entzieht. Dadurch soll es den europäischen Mitgliedsstaaten künftig
erlaubt sein, Menschen noch länger unter den ohnehin schon abgesenkten Standards an den
Außengrenzen zu inhaftieren, Grenzverfahren auf alle Geflüchteten auszuweiten und mit der
Registrierung bis zu 4 Wochen warten zu können. Ein europäischer Freifahrtsschein,
Menschen auf der Suche nach Schutz unter dem Radar zu misshandeln und zurückzudrängen
und abzuschieben!!!
Deshalb hier meine klare Forderung, gerade in Richtung BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN, die
hier versuchen, sich mit ihrem Antrag heute auf Landesebene reinzuwaschen und ihren
fundamentalen Bruch mit ihren eigenen Werten und den Menschenrechten auf Bundesebene
auf diesen Landtag und die Landesregierung abwälzen wollen.
Hier brauchen wir eine klare Haltung und Distanzierung zu diesem Vorgehen der
Bundesregierung, einschließlich der Grünen Ministerinnen und Minister, am besten sofort und
laut und deutlich!!!!

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Liebe Kolleg*innen,
auf Grund meiner geringen Redezeit, jetzt noch kurz zu den weiteren Anträgen. Auch den
FDP-Antrag, mit dem Sie die Landesregierung zu einem Bericht an den Landtag, zur
zweckentsprechenden Mittelverwendung sowie zum regelmäßigen Austausch mit den
Kommunen auffordern wollen, werden wir ablehnen. Wir gehen davon aus, dass sowohl die
Landesregierung als auch die Kommunen im Land die finanziellen Mittel für die
Flüchtlingsaufnahme ordnungsgemäß auch für diesen Zweck verwenden. Was denn auch
sonst? Ihres Antrags, liebe Kolleginnen und Kollegen, bedarf es aber in mehrfacher Hinsicht
nicht. Hier im Land ist die Regierung sowohl über die Staatskanzlei als auch über unsere sehr
engagierte Integrationsbeauftragte Jana Michael im ständigen Kontakt mit den Kommunen,
den Migrantinnen-Organisationen sowie den Unternehmer- und Sozialverbänden.
Und nun zur AfD. Ganz in ihrem Lieblingsthema angekommen und offen diskriminierend,
demütigend und menschenverachtend ist die ebenfalls immer wieder kehrende Diskussion der
Sachleistungen für Asylsuchende, die die AfD-Fraktion hier heute einbringt und mit der sie
die Menschen täuschen will, denn in der Erstaufnahme gibt es in bar sowieso nur ein
Taschengeld und außerhalb ist die Ausgabe reiner Sachleistungen ausgeurteilt und verstößt
gegen deutsches Recht, dass Sie ansonsten ja immer so hochhalten. Schon im Jahr 2012 hat
das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass die staatlichen Hilfen für Asylbewerberinnen
und Asylbewerber in etwa das Niveau der Sozialhilfe bzw. Grundsicherung erreichen müssen
und ein Teil davon in bar ausgezahlt werden muss. Eine komplette Umstellung auf
Sachleistungen wäre ein Rechtsverstoß und würde zudem die Behörden bundesweit völlig
überfordern. Sie wollen unsere Bevölkerung täuschen und die Schutzsuchenden drangsalieren,
in der Hoffnung, dass sich das rumspricht und die Geflüchteten gar nicht erst nach
Deutschland kommen. Hier kann und möchte ich mich ganz kurzhalten, denn am Taschengeld
zu sparen, das heißt für uns im Umkehrschluss auch an der Menschenwürde zu sparen!
Abschließend möchte ich festhalten: Ja, wir befinden uns in herausfordernden Zeiten! Ja, die
Asylpolitik muss neu ausgerichtet werden! Bei dieser Neuausrichtung müssen aber die Rechte
der Schutzsuchenden im Mittelpunkt stehen und nicht nationalistische oder rechte Träume von
Abschreckung und Abschottung oder Maßnahmen, die dem Vorschub leisten!
FÜR DAS LEBEN, FÜR DIE FREIHEIT
LEAVE NO ONE BEHIND
LEAVE NO ONE TO DIE