MdL Birgit Schwebs - Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes M-V

Birgit Schwebs

Frau Präsidentin,

meine Damen und Herren,

nun haben wir ihn in der Hand, meine Damen und Herren: den Antrag mit dem die Koalitionsfraktionen begehren, eine Schuldenbremse in die Landesverfassung unseres Landes aufzunehmen. Als der Bundestag mehrheitlich die Implementierung der Schuldenbremse in das Grundgesetz beschloss, sprach sich der Ministerpräsident dieses Landes im Bundesrat klar dagegen aus. Er handle, so ließ er uns wissen, im Interesse des Landes Mecklenburg- Vorpommern. In wessen Interesse handeln die Koalitionsfraktionen heute, nicht einmal zwei Jahre später frage ich mich? Kurz nach dem Beschluss des Bundesrates beschlossen die finanz- und rechtspolitischen SprecherInnen der demokratischen Fraktionen des Landtages, die Einrichtung einer interfraktionellen Arbeitsgruppe, die sich der Implementierung der Schuldenbremse in unsere Verfassung nähern wollte. Ich kann mich an interessante Gesprächsrunden mit Ihnen, meine Herren aus den Koalitionsfraktionen erinnern – Gesprächsrunden, bei denen wir uns einig waren, wie wir mit der Problematik der Schuldenbremse in unserem Land umgehen wollen. „Wir brauchen sie nicht“ war der Grundtenor. Mecklenburg – Vorpommern spart erfolgreich – sei es unter rot-rot oder in der jetzigen Koalition.

„Der Bund greift mit seiner Schuldenbremse in das Budgetrecht der Länder ein, das können wir doch nicht so hinnehmen.“ - so lautete eine zweite, empörte, aber dennoch felsenfeste, Überzeugung. Das Handeln des Bundestages, ja der eigenen Parteikollegen auf der Bundes- und Ministerpräsidentenebene sei nicht akzeptabel. Dagegen könne man – ach was, müsste man eigentlich! klagen.

Ich, meine Damen und Herren aus der CDU-Fraktion, ziehe den Hut vor Ihrem Parteikollegen Martin Kayenburg aus Schleswig Holstein, der nicht nur rumgemosert hat, sondern die Klage des Landtages Schleswig Holstein gegen das Bestreben der eigenen Landesregierung auf den Weg gebracht hat. Er hat – im Gegensatz zu Ihnen gezeigt, dass sein parlamentarisches Rückgrat in Ordnung ist!

Hier aber beginnt heute dasselbe Verfahren wie auf der Bundesebene, meine Damen und Herren aus den Koalitionsfraktionen. Die Schuldenbremse soll in die Verfassung implementiert werden um die Ausgaben des Landes zu begrenzen. Das bedeutet ganz klar: das Land wird sich aus der Finanzierung bestimmter Aufgaben zurückziehen. Und in erster Linie bedeutet das: weniger Geld für die Kommunen, weniger Geld für Bildung, weniger Geld für die Ausgestaltung von sozialen Leistungsgesetzen…

Und alles das wird auf den Weg gebracht, ohne mit den Betroffenen – also z. B. den Kommunen über die Folgen zu diskutieren. Genau wie auf der Bundesebene die eigentlichen Betroffenen, die Länderparlamente ausgebremst wurden, so bremst diese Koalition hier im Land die Kommunen aus!

Wie sich doch die Verfahren gleichen!

Die dritte gemeinsame Überzeugung der Koalitionäre in der Arbeitsgruppe war die maßvolle und langsame Umsetzung der Schuldenbremse in die Landesverfassung – denn immerhin ist das Ergebnis der Klage des Landtages Schleswig Holstein noch offen. „Wir haben bis zur nächsten Legislatur Zeit, eine für das Land akzeptable Formulierung in der Umsetzung der Schuldenbremse zu finden, wir lassen uns nicht von Sachzwängen treiben“ so war die dritte gemeinsame Überzeugung der Herren Koalitionäre, denn die Schuldenregel soll ja erst ab 2020 für die Länder gelten. Aber – was schert mich mein Geschwätz von gestern, so dachte und handelte bereits Adenauer und in Sachen Schuldenbremse sind die Koalitionäre, einschließlich des Ministerpräsidenten würdige Nachfolger des damaligen Bundeskanzlers.

So liegt uns nun der Gesetzentwurf vor, mit dem die Schuldenbremse auch in der Landesverfassung festgeschrieben werden soll – noch in dieser Legislatur.

Woher die Eile frage ich mich, wenn der entsprechende Paragraph in der Landesverfassung doch erst ab 2020 gelten soll? Auch die kommunalen Verbände finden keine Antwort auf diese Frage, nicht der DGB, nicht die GEW und auch nicht die vielen ehren- und hauptamtlichen BürgermeisterInnen in Mecklenburg – Vorpommern. Auch nicht nachvollziehbar ist diese Eile offensichtlich den Jusos MV und dem Landesparteitag der SPD, der am vergangenen Wochenende tagte und SPD -Landesvorstand (mit dem Landesvorsitzenden Erwin Sellering) und der Landtagsfraktion den Hinweis auf den Weg gab, in dieser Sache mit Ruhe und Sachverstand zu handeln. Und eine derartige Verfassungsänderung, auch aus ordnungspolitischen Gründen, nicht zu überstürzen.

So richtig ernst genommen werden die jungen Genossen in der SPD wohl nicht, denn dieser Koppheister-Sprung mit der Schuldenbremse in die Verfassung geht so kurz vor dem Ende der Legislatur nur, weil die Landesregierung auf das zeitaufwändige Diskutieren und Abwägen mit der beteiligten Öffentlichkeit und insbesondere mit den kommunalen Verbänden verzichtet hat. Dafür holen die Mitglieder der Fraktion die Kohlen für die Landesregierung aus dem Feuer! Das ist ein wahrhaft beispielhaftes Demokratieverständnis, welches hier praktiziert wird. Und nicht bei irgendeinem Gesetz, meine Damen und Herren, sondern mit unserer Landesverfassung! Bedenken hinsichtlich dieser Vorgehensweise hat offensichtlich auch der Städte- und Gemeindetag unseres Landes, der als Interessenvertreter der fast 800 Städte und Gemeinden in einem Brief an die Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen darum bittet, in die Debatten um geplante Verfassungsänderung einbezogen zu werden. Der anmahnt, dass die geplante Festschreibung der Schuldenbremse allein in der jetzt vorliegenden Fassung in die Landesverfassung zu Lasten der Kommunen gehen wird. Es sei denn, so fordert er, es werden gleichzeitig die erforderlichen Mittel für die Durchführung gesetzlicher Aufgaben unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Landes garantiert oder das Land verzichtet auf die Erfüllung übertragener Aufgaben. Dass die Befürchtungen der Kommunen nicht so falsch sind, zeigt sich dann auch in der Begründung des Gesetzentwurfes, denn dort steht, so, als seien die Kommunen nur lästige Kostgänger des Landes und ich zitiere: “Die Schuldenregel gilt nur für den Landeshaushalt, spezifische finanzielle Auswirkungen für die Kommunen ergeben sich dadurch nicht.“ Zitat Ende.

Auch der Landrat Christiansen (SPD) forderte jüngst im Namen der Landräte und Landrätinnen des Landes, die Schuldenbremse nur zu akzeptieren, wenn sie „kommunalfreundlich“ sei. Dass diese Befürchtungen nicht mit öffentlichen Versprechungen auszuräumen sind, weil sie eben nicht nur Befürchtungen sind, sondern ganz schnell Realität werden können, zeigen die Debatten in unserem Nachbarland Schleswig Holstein: nachdem die Schuldenbremse für das Land in der Verfassung festgeschrieben steht, diskutiert man jetzt schon ungeniert darüber, diese auch auf die Kommunen auszudehnen.

Aber, meine Damen und Herren, es gibt noch weit mehr Gründe, die Schuldenbremse abzulehnen – und zwar prinzipiell und ganz konkret in unserer Landesverfassung.

Das Deutsche Institut für Urbanistik, meine Damen und Herren, schätzt allein den Investitionsbedarf im Bereich der kommunalen Infrastruktur bundesweit auf 700 Mrd. €. Die Befriedigung dieses Bedarfs ist aber mit einer Schuldenbremse, die direkt auf die Investitionsbereitschaft der öffentlichen Hand wirkt, nicht zu bewältigen. Ausgabenkürzungen im Bereich der kommunalen Infrastruktur in unserem Land sind vorprogrammiert – und die Wirtschaft wird diese nicht ohne Weiteres ersetzen können. Die Folge wird sein, dass sich die kommunale Infrastruktur weiterhin verschlechtert und nachfolgende Generationen damit fertig werden müssen.

Das ist weder ökonomisch sinnvoll noch generationengerecht.

In der Begründung zum vorliegenden Gesetzentwurf heißt es weiterhin, meine Damen und Herren, dass die Schuldenbremse die Voraussetzung für eine „zuverlässige, nachhaltige Finanzpolitik ohne neue Schulden“ sei.

Wir- und nicht nur wir - sehen das ganz anders, meine Damen und Herren – die Schuldenbremse bremst ganz eindeutig die Zukunft unseres Landes, seine notwendige Entwicklung aus.

Sie nimmt dem Land, dem Parlament und der Regierung, aber auch den kommunalen Vertretungen wesentliche Möglichkeiten der Gestaltung der Lebensverhältnisse hier im Land – die Politik verkommt damit noch mehr zur Verwaltung der vorhandenen und wie es aussieht zurückgehenden finanziellen Mittel.

Politisch ist das eine Bankrotterklärung, denn die Schuldenbremse geht zu Lasten der Spielräume der Landespolitik, der Spielräume für eine sozial gerechte oder ökologisch nachhaltige Politik in diesem Land.

Wer die Schuldenbremse will, meine Damen und Herren, nimmt den Magerstaat als Ergebnis des Ausgabenverzichts billigend in Kauf. Verlierer, auch in unserem Land werden die Kommunen sein, Normalverdiener und sozial Schwache. Es wird weniger Geld für Bildung und Kultur zur Verfügung stehen, an die Stelle der öffentlichen Investitionen werden die für die öffentliche Hand langfristig teureren PPP-Projekte treten, die Lebensqualität wird sinken und die Lebenshaltungskosten für den Einzelnen werden steigen.

Sicher ist es so, meine Damen und Herren, dass die Einnahmen der öffentlichen Hand auf allen Ebenen in den letzten 20 Jahren um zig Milliarden Euro zurückgegangen sind. Aber das ist ja nicht vom Himmel gefallen, sondern die Grundlage waren konkrete Gesetzesänderungen der Regierung Kohl, der Regierung Schröder mit Beteiligung der Grünen und auch die CDU und die FDP haben jeweils ihren Teil zur Verkürzung der Steuereinnahmen beigetragen.

Und dort gilt es anzusetzen: das Steuersystem muss umgebaut werden, die Einnahmeseite muss endlich wieder gestärkt werden. Auch wenn wir es schon mehrfach von dieser Stelle gefordert haben, will ich es Ihnen nicht ersparen: höhere Einkünfte und Vermögen müssen stärker besteuert werden, die Unternehmen müssen stärker in die Finanzierung des Staates einbezogen werden und Finanztransaktionen der Steuer unterfallen! Und dann können wir uns eine solche Wachstums- und Investitionsbremse, wie sie heute vorgeschlagen wird, sparen!

Weil wir davon ausgehen, dass die Verankerung der Schuldenbremse in die Landesverfassung eine erhebliche Änderung der Verfasstheit Mecklenburg – Vorpommerns bewirken wird, die nicht akzeptabel ist, werden wir heute einer Überweisung nicht zustimmen.