Vernichtung NSU-relevanter Akten stoppen

Zur Vernichtung NSU-relevanter Akten in den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden M-V erklärt der Obmann der Linksfraktion im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) „NSU“ im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Peter Ritter:

„Durch Aktenvernichtungen torpedieren die Behörden die parlamentarischen Aufklärungsbemühungen des NSU-Komplexes. In diesen Tagen jährt sich die ‚Operation Konfetti‘ im Bundesamt für Verfassungsschutz. Am 11. November 2011 und damit wenige Tage nach der Selbstenttarnung des NSU begann dort eine konzertierte Vernichtungsaktion von Akten thüringischer V-Leute. Im hiesigen NSU-Untersuchungsausschuss müssen wir uns nun mit ähnlichen Vorgängen auseinandersetzen.

Jüngst wurde bekannt, dass im Justizministerium des Landes noch im Jahr 2019 Akten vernichtet wurden, die die zentrale NSU-Unterstützerstruktur ‚Blood&Honour‘ betreffen. Skandalös ist dies gerade vor dem Hintergrund, dass der Ausschuss bereits im Oktober 2018 durch einen umfassenden Beweisbeschluss die Relevanz dieser Akten deutlich machte. Damit wurden dem Ausschuss möglicherweise Akten entzogen, die Aufschluss über das NSU-Netzwerk im Nordosten hätten geben können. Wir fordern von den verantwortlichen Stellen eine umfassende Aufklärung zu diesem unsäglichen Vorgang.

Wir müssen darüber hinaus davon ausgehen, dass in den zurückliegenden Jahren auch im Innenministerium M-V die Aktenregale in der rechten Ecke ‚aufgeräumt‘ wurden – trotz laufender Untersuchungsausschüsse sowie dem Münchener NSU-Prozess. Für mehr als drei Jahre setzte das Innenministerium zwischen April 2014 und Mai 2017 den Vernichtungsstopp aus. Damit setzte sich Innenminister Lorenz Caffier eindeutig über den Beschluss des ersten NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestags hinweg, der in seinem Abschlussbericht unmissverständlich forderte: ‚Akten zum Rechtsextremismus müssen solange aufbewahrt werden, bis ausreichende Kenntnisse der Zusammenhänge und Bezüge, in denen sich der NSU bewegt hat, bestehen, um eine sachgerechte Sichtung von Akten vor ihrer Vernichtung zu erlauben.‘ [BT Drs. 17/14600, S. 860]

Aufgrund der äußerst zähen Aktenlieferungen aus dem Innenministerium können wir derzeit nicht abschließend bewerten, inwiefern in diesen drei Jahren auch Akten vernichtet wurden, die für die Aufklärungsbemühungen des Untersuchungsausschusses relevant gewesen wären. 

Es muss in jedem einzelnen Fall einer Aktenvernichtung geprüft werden, ob es sich um ‚Versäumnisse‘, individuelles Fehlverhalten oder systematische Vertuschungsaktionen handelte. Zweifelsohne konterkariert jedes verschwundene Dokument in den Behörden das umfassende Aufklärungsversprechen der Bundeskanzlerin und tritt die Kontrollbefugnisse sowie die Aufklärungsbemühungen der Parlamente mit Füßen.

Aufgrund neuer Erkenntnisse und Fragestellungen fordert das Bündnis ‚Kein Schlussstrich‘ derzeit mittels einer Petition die Einsetzung eines neuen Untersuchungsausschusses in Bayern. Vor diesem Hintergrund betrachte ich die aktuelle Ankündigung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern ebenso kritisch, das bestehende Löschmoratorium zeitnah aufzuheben. Alle Akten und Dokumente sind auch weiterhin vor einer Vernichtung zu schützen, bis die Aufarbeitung des NSU-Komplex abgeschlossen ist.“