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Henning Foerster TOP 10 Aussprache gemäß § 43 Nummer 2 GO LT zum Thema 12 Euro sind notwendig und gerecht – Mindestlohnerhöhung zügig auf den Weg bringen

Es gilt das gesprochene Wort!

 

Landtag Mecklenburg-Vorpommern                                                                        [27.01.2021]

Fraktion DIE LINKE

 

MdL Henning Foerster

 

TOP 10

Aussprache gemäß § 43 Nummer 2 GO LT zum Thema

12 Euro sind notwendig und gerecht – Mindestlohnerhöhung zügig auf den Weg bringen

 

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

 

ein zentrales Vorhaben der neuen Ampel Koalition in Berlin ist die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes auf 12 Euro. Als dies im Dezember 2021 bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages klar wurde, haben wahrscheinlich viele Beschäftigte im Niedriglohnsektor aufgeatmet.

Denn diese Maßnahme ist kein Almosen und eignet sich nicht für politische Spielchen. Nein, die Stärkung der Löhne ist richtig und notwendig, auch und gerade in Deutschland. Nach wie vor gibt es hierzulande einen der größten Niedriglohnsektoren Europas. Rund 8,6 Millionen Beschäftigte verdienen nach Angaben der Hans-Böckler-Stiftung momentan weniger als 12 Euro pro Stunde. Besonders betroffen sind Branchen wie das Gastgewerbe, die Kurierdienste oder der Einzelhandel.

Und ausgerechnet aus dieser Ecke kommen, einem Pawlowschen Reflex gleich, die schärfsten Angriffe auf die Pläne zur Mindestlohnerhöhung. So malt etwa der Handelsverband Deutschland wieder das alte und längst schon widerlegte Gespenst von den drohenden Arbeitsplatzverlusten an die Wand.

Nur zur Erinnerung. Bereits vor Einführung des gesetzlichen Mindestlohns hatten Wirtschaftsvertreter ähnliches prophezeit. Tatsächlich aber wuchs die Beschäftigung nach Einführung des Mindestlohns, die Kaufkraft stieg und die Arbeitslosigkeit ging zurück.

Wenig überraschend stimmte auch der Deutsche Hotel und Gaststättenverband sofort in das bekannte Klagelied mit ein. Die Aussage, dass die Mindestlohnerhöhung erhebliche Personalkostensteigerungen „für die Mehrzahl der Betriebe“ mit sich bringe, ist jedoch selbstentlarvend. Denn indirekt wird damit ja eingeräumt, wie schlecht in dieser, auch für unser Tourismusland sehr wichtigen der Branche vielfach leider immer noch bezahlt wird. 

Gleichzeitig wird stets beklagt, dass man keine Fachkräfte, mitunter nicht einmal mehr Arbeitskräfte findet. Zudem verschweigen die Verantwortlichen, dass es ja auch anders geht. So haben DEHOGA und NGG in Berlin und Brandenburg Tarifverträge abgeschlossen, die in den unteren Entgeltgruppen keinen Lohn mehr unter 12 Euro vorsehen. Und hier sind wir bei des Pudels Kern. Vor allem in Betrieben ohne Tarifbindung werden Niedriglöhne bezahlt.

Deshalb ist der gesetzliche Mindestlohn ein notwendiges Korrektiv und ein Mittel gegen Lohndumping. Einige Arbeitgeberverbände begreifen die geplante Erhöhung auf 12 Euro jedoch offenbar als Chance zur Generalabrechnung mit dem unbeliebten Instrument. Dabei ist jedes Mittel Recht, auch ein trojanisches Pferd, genannt Tarifautonomie. Denn im Kontext der aktuellen Debatte schwingen sich ausgerechnet diejenigen, zum Verteidiger von tariflichen Regelungen auf, die seit Jahren dazu beitragen, dass die Tarifbindung kontinuierlich sinkt.

Auch hier entlarven sie sich selbst. Denn als Argument wird ins Feld geführt, dass momentan etwa 200 Tarifverträge bundesweit noch ein Niveau deutlich unterhalb von 12 Euro haben. Da sage ich na Donnerwetter noch mal! Genau aus diesen Regionen mit Löhnen die für viele Beschäftigte oft genug zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel sind, wollen und müssen wir ja wegkommen. Im Grundlagenseminar für Tarifkommissionsmitglieder hab ich mal gelernt, dass Tarifverträge dazu sind, Inhalte oberhalb gesetzlicher Normen zu regeln. Was sie nicht sollen, ist als Einfallstor dafür zu dienen, diese zu unterschreiten. 

Und deshalb sollten sich die Arbeitgeberverbände darum kümmern, dass ihre Mitglieder anständige Löhne bezahlen und die Anhebung des Mindestlohns akzeptieren, statt die verlorenen Kämpfe von gestern erneut zu führen. Das gilt auch für das Argument, der Staat wolle den eingeübten Mechanismus der Mindestlohnkommission auf Bundesebene, in der Arbeitgeber, Gewerkschaften und Wissenschaftler die Anhebungen besprechen, dauerhaft aushebeln.

Dies ist mitnichten der Fall. Die Anhebung auf 12 Euro soll nach allem was heute bekannt ist, in einem einmaligen Schritt erfolgen. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass das Einstiegsniveau beim gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland seinerzeit zu niedrig war und auch das heutige Niveau immer noch zu niedrig ist. Keine linke Erkenntnis oder gar Propaganda, sondern eine Feststellung der EU. Das EU-Parlament in Brüssel hat denn auch im Dezember 2021 die Richtlinie über ein europäisches System von Mindestlöhnen beschlossen.

 

Damit soll sichergestellt werden, dass Mindestlöhne in Europa nicht unterhalb von 60 Prozent des jeweiligen mittleren Einkommens eines Landes liegen dürfen. Und, Oh Wunder, wo landet man dann in Deutschland? Richtig, bei 12 Euro die Stunde. Also nach dieser einmaligen Anhebung, will man nach jetzigem Stand zum bekannten Mechanismus zurückkehren.

Das es dazu Kritik aus der CDU gibt, war zu erwarten. Allerdings müsste diese sich ja eigentlich auf den Beschluss des Antrages C6 vom Bundesparteitag 2019 beziehen. Der Titel lautete „Der Mindestlohn muss besser werden“. Beschlossen wurde: „Die CDU Deutschlands fordert die Mindestlohnkommission dazu auf, sich eine neue Geschäftsordnung zu geben und von der geübten Praxis einer quasi automatischen Erhöhung anhand des Tarifindexes abzurücken. Wir fordern, dass sie den ursprünglich vorgesehenen Auftrag erfüllt und mit Hilfe der in der Kommission vertretenen Wissenschaftler die konkreten Spielräume analysiert und nutzt.“

Kann ja nur heißen, die Indexbezogenen, zu niedrigen Erhöhungen der letzten Jahre, möchte man hinter sich lassen. Sehr interessant, was CDU-Parteitage so alles beschließen. Das passt so gar nicht zu dem, was wir hier seit Jahren von Herrn Waldmüller, immerhin ja auch früherer Generalsekretär seiner Partei, zu hören bekommen.

Da nimmt man aktuell lieber die Corona Pandemie her und versucht diese nun als Schutzschild gegen eine vermeintlich unangemessene Mindestlohnerhöhung ins Feld zu führen. Schon zu Beginn der Pandemie hat der CDU-Wirtschaftsrat offenbar nicht an den eben zitierten Parteitagsbeschluss gedacht und versucht, der Mumie des „Sozial ist, was Arbeit schafft“ neues Leben einzuhauchen. Im neuen Kleid des „Sozial ist nur, was Arbeitsplätze erhält“, sollte sie auf die politische Bühne zurückkehren. Die konkrete Forderung lautete seinerzeit, die ohnehin spärliche Mindestlohnanhebung auszusetzen.

 

Dieser Weg ist grundfalsch. Wer die Wirtschaft in Gang halten bzw. wieder in Gang bringen will, der muss neben den unbestritten notwendigen Hilfsprogrammen für die Unternehmen auch etwas für die Beschäftigten tun. Gerade Mindestlohnempfänger stecken bekanntlich so gut wie jeden zusätzlichen Euro in den Konsum. Zum Sparen fehlt ihnen schlicht das Geld. Volkswirte haben errechnet, dass eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns um 1 Cent, 20 Millionen Euro mehr Kaufkraft bedeutet. Geld, das in die Wirtschaft zurückfließt und dort auch gebraucht wird.

Zum Schluss noch zwei Bemerkungen. Erstens, die neueste WSI Studie legt erneut schonungslos die Situation in Mecklenburg-Vorpommern offen. Mehr als 30 Jahre nach der Wende ist immer noch jeder Dritte Vollzeitbeschäftigte ein Geringverdiener. Deutschland weit ist es nicht einmal jeder Fünfte. Auch deshalb braucht es die geplante Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro als wirksame, untere Haltelinie im System und mehr Tarifverträge oberhalb dieses Niveaus.

Arbeits- und Fachkräfte hält und gewinnt man auf Dauer eben nicht mit Löhnen, die deutlich unter dem Niveau benachbarter Bundesländer liegen. Das war immer meine Überzeugung und daran hat sich auch durch den Wechsel in eine nun regierungstragende Fraktion nichts geändert. Denn wer Mecklenburg-Vorpommern nicht nur als Tourismus- und Gesundheitsland, sondern auch als Industriestandort besser vermarkten und entwickeln will, braucht Pull- Faktoren, die Fachkräfte anziehen.

Und zweitens. Sie wissen, dass die LINKE, unter anderem unter Bezug auf ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages einen gesetzlichen Mindestlohn von 13 Euro gefordert hat. Wer nach 45 Jahren Arbeit eine gesetzliche Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus bekommen will, bräuchte diesen heute schon. Die Anhebung von derzeit 9,82 Euro auf 12 Euro ist daher ein großer und wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Und es bleibt dabei, er ist gerecht und vor allem notwendig.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!


PRESSEKONTAKT:
 

Claudia Schreyer
Pressesprecherin


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