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32. Sitzung: Parlamentarischer Untersuchungsausschuss (PUA) zur Aufklärung der NSU-Aktivitäten in M-V

Tagesordnung:

 

  1. Vernehmung des Zeugen KHK Andreas Seifert
  2. Vernehmung des Zeugen KHK Matthias Faust
  3. Vernehmung des Zeugen KOR Dirk Hoffmann

Zur heutigen Sitzung waren drei Kriminalbeamte der SOKO Kormoran geladen. Die SOKO wurde im Juni 2006 im hiesigen Landeskriminalamt (LKA M-V) eingerichtet, nachdem bis zu diesem Zeitpunkt – mit Ausnahme von Hamburg – alle betroffenen Tatortdienststellen entsprechende Ermittlungsgruppen eingerichtet hatten, um an der Aufklärung der Mordserie zu arbeiten. Zunächst baten im Mai 2006 alle übrigen Dienststellen auf der konstituierenden Sitzung der Steuerungsgruppe um die Einrichtung einer Sonderermittlergruppe auch in M-V. Hiermit sollten die bis dato erfolglosen Ermittlungen nochmals intensiviert und die Zusammenarbeit mit den anderen Dienststellen verbessert werden. Am Rande einer Innenministerkonferenz im Mai desselben Jahres fassten die politischen Verantwortungsträger den entsprechenden Beschluss. Alle der heute vernommenen Polizeibeamten lasen zum Beginn ihrer Vernehmungen Erklärungen vor, die sich streckenweise sehr ähnelten. Keiner der Zeugen sei in Aufarbeitungsprozesse seitens des hiesigen Innenministeriums einbezogen worden.

Als erster Zeuge erschien KHK Andreas Seifert. Er war bereits bis zur Einrichtung der SOKO Kormoran in der Rostocker Mordkommission in leitender Position mit dem Fall betraut. Da er bereits über tiefe Einblicke in den bisherigen Ermittlungsstand verfügte, unterstützte er die Arbeit der SOKO Kormoran für anderthalb Jahre und ließ den Kenntnisstand in die dortigen Ermittlungen einfließen. EKHK Scharen äußerte in seiner Zeugenvernehmung vom 29. November 2019, dass die Mordkommission Rostock mit KHK Seifert ihren „besten Mann“ in die SOKO geschickt hätte. Der heutige Zeuge sagte, dass er freiwillig und engagiert in der SOKO mitgearbeitet habe, da er den Fall unbedingt aufklären wollte.

KHK Seifert führte aus, dass er am 25. Februar 2004 zum Tatort gefahren sei, nachdem er durch EKHK Scharen informiert worden war. Zunächst sei ihm mitgeteilt worden, dass es sich um einen Arbeitsunfall handelt. Als der Zeuge den Imbiss in Rostock-Toitenwinkel erreichte, sei Mehmet Turgut bereits verstorben gewesen. Es habe sich jedoch vor Ort für ihn schnell herausgestellt, dass es sich um ein Tötungsdelikt mittels einer Schusswaffe handelte. Zur Durchführung erster Vernehmungen seien am Tatort eintreffende Personen, die „offenbar einen Bezug zum Imbiss hatten“, gebeten worden, die Dienststelle aufzusuchen. Zahlreiche Vernehmungen hätten jedoch keine Hinweise auf ein Tatmotiv ergeben. Anzeichen für Auseinandersetzungen am Imbiss hätten sich ebenfalls nicht ergeben. Es sei zudem zunächst darum gegangen, die Identität des Mordopfers festzustellen, das sich anhand der Fingerabdrücke als Yunus Turgut identifizieren ließ.

Am 16. März 2004 habe es eine gemeinsame Besprechung mit der Staatsanwaltschaft Rostock sowie Nürnberger Ermittlern gegeben. Der Hintergrund dieser Zusammenkunft war, dass nach ballistischen Untersuchungen der am Tatort festgestellten Munition ein Zusammenhang zur Ceska-Mordserie festgestellt wurde. Soweit sich KHK Seifert erinnere, sei die Ermittlungsführung an diesem Tag an das BKA abgegeben worden. Die KPI sei demnach nur noch für Ermittlungen zuständig gewesen, die unmittelbar Rostock betroffen hätten. Der Obmann der Linksfraktion, Peter Ritter, widersprach dem Zeugen anhand von vorliegenden Akten, nach denen die Ermittlungsführung in der Hansestadt verblieben ist. Laut KHK Seifert sei es offenbar ein Missverständnis gewesen, dass man in Rostock davon ausgegangen war, dass die Ermittlungen durch das BKA übernommen wurden.

In Rostock selbst hätten die Polizeibeamten unter anderem versucht, die Hintergründe einer SMS aufzuklären, die ein Bekannter Mehmet Turguts auf der Trauerfeier wenige Tage nach dem Mord erhalten haben soll. Hierin habe ein unbekannter Verfasser geschrieben: „Ich habe einen Türken getötet. Jetzt bist du dran.“ Nach Aussagen eines Zeugen solle der Absender jedoch ein „Penner“ sein. Da der Empfänger der Droh-SMS auch nicht die Polizei verständigte, wurde dieser Nachricht keine übersteigerte Bedeutung zugemessen. In späteren Vernehmungen sei zwar hin und wieder nach der SMS gefragt worden, allerdings konnte Jahre später keiner der vernommenen Zeugen mehr den Eingang der Drohung bestätigen. Peter Ritter rief KHK Seifert in Erinnerung, dass in der Vernehmung von Yunus Turgut ein weiterer Hinweis auftauchte, der durch den Polizeibeamten nicht noch einmal hinterfragt wurde. Auf die Frage, wie Yunus Turgut vom Tod seines Bruders erfahren habe, antwortete er, dass Hassan aus Schwerin ihm gesagt habe, dass Mehmet im Krankenhaus liege, weil er „von Rechtsradikalen verprügelt“ worden sei. KHK Seifert rechtfertigte seine Nicht-Reaktion auf diese Bemerkung, dass man „Hassan“ gefragt hätte, woher diese Information stamme. Allerdings findet sich auch in der Vernehmung des „Hassan“ keine Frage bzw. Nachfrage, weshalb er „Rechtsradikale“ der Täterschaft bezichtigte.

In diesem Zusammenhang wurde KHK Seifert eine weitere von ihm durchgeführte Zeugenvernehmung vorgehalten. Hierin äußerte eine Person aus dem Umfeld des Mordopfers im Jahre 2008, dass er sich nur vorstellen könne, „dass die Taten von jemand begangen wurden, der ausländerfeindlich ist, ein Skinhead zum Bespiel“. Doch auch an dieser Stelle fragte der Ermittler nicht nach. Peter Ritter monierte, dass scheinbar jeder noch so vage Hinweis in Richtung PKK oder Drogen ernstgenommen wurde, während an keiner Stelle, an der Rassisten hinter den Taten vermutet wurden, Nachfragen gestellt wurden. KHK Seifert entgegnete, dass sie in diese Richtung ermittelt hätten, wenn es mehr Informationen gegeben hätte. Es bringe aber nichts, jeden Glatzkopf auf der Straße anzusprechen.

Anhand eines Aktenvorhalts machte Peter Ritter das Ungleichgewicht der Ermittlungen deutlich. So befänden sich in der Spur 75 mit dem Namen „Politisch motivierter Tathintergrund“ weit über 100 – genau 196 – Seiten, die sich fast ausschließlich mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK befassen würden. Fraglich ist dies vor allem vor dem Hintergrund, dass KHK Seiferte betonte, dass weder bei Mehmet Turgut noch bei seinen Brüdern Verbindungen zur PKK feststellbar waren.

Von einer Institution, von der man Hinweise auf eine rassistische Tatmotivation hätte erwarten können – namentlich die Abteilung für Verfassungsschutz im Innenministerium (LfV M-V) –, habe es jedoch keine entsprechenden Hinweise gegeben. An das Treffen in der KPI Rostock am 2. September 2004 könne er sich jedoch erinnern. Dort habe ein Mitarbeiter der LfV M-V den Ermittlern den Hinweis erteilt, dass das Motiv für den Mord an Mehmet Turgut in veruntreuten Drogengeldern begründet sei. Geäußert habe dies eine V-Person (VP) der LfV M-V. KHK Seifert könne jedoch nichts Konkretes zu der Quellenmeldung sagen, da er nicht mit den diesbezüglichen Ermittlungen befasst war. Er sei auch sonst nicht für die Führung von VPs zuständig gewesen. KHK Seifert räumte jedoch ein, dass Rauschgiftkriminalität nicht das „Spezialgebiet“ der sog. Verfassungsschützer sei, wenn sie jedoch einen Hinweis zur Tat erhalten, gäben sie diesen weiter. Dem Zeugen zufolge sei die LfV M-V über den polizeilichen Staatsschutz angesprochen worden. Dies widerspricht allerdings den Ausführungen des Leiters der Mordkommission, EKHK Scharen. Dieser erklärte im Rahmen seiner Vernehmung am 29. November 2019, dass dies der gängige Verfahrensweg sei. Im Fall von Mehmet Turgut habe sich die LfV M-V allerdings proaktiv an die Polizei gewandt, ohne über den Staatsschutz angesprochen worden zu sein.

Auf den Artikel der Schweriner Volkszeitung „Wann schlägt der Dönermörder wieder zu?“ aus dem März 2007 angesprochen, in dem es heißt, dass die Polizei einen rechten Tathintergrund längst ausschließe, antwortete KHK Seifert, dass er dazu nichts sagen könne. Schließlich habe er den Artikel nicht geschrieben. Es habe jedoch keine konkreten Hinweise in diese Richtung gegeben. Zudem hätte eine eindeutige Bekennung zur Tat gefehlt. Das PUA-Mitglied der Linksfraktion Karen Larisch hält dem Zeugen vor, dass rechter Terror ohne Bekennerschreiben funktioniere. Die Verwendung der gleichen Tatwaffe sowie die Betroffenengruppe sei das Bekenntnis. Die Frage, ob die Mordermittler über die Funktionsweise rechten Terrors aufgeklärt wurden, verneinte der Zeuge.

Ende November 2004, wenige Wochen nach dem Rauschgifthinweis der LfV M-V, fertigte KHK Seifert einen Aktenvermerk für eine Hausdurchsuchung bei der Rechtsanwältin des Imbissbetreibers an, um Steuer- und Geschäftsunterlagen sicherzustellen. In der Begründung heißt es, dass es sich bei den bisherigen Taten der Ceska-Mordserie um Auftragsmorde handeln könnte und sich Hinweise ergeben hätten, dass die Opfer in Rauschgiftgeschäfte verwickelt seien. Peter Ritter fragte, weshalb er trotz erfolgloser Motivsuche von Auftragsmorden ausging und die Opfer im Drogenmilieu verortete, obwohl es in einem Vermerk aus dem März 2004 hieß, dass zu Mehmet Turgut keine Erkenntnisse in diese Richtung vorliegen würden. KHK Seifert vermutete, dass die Formulierung „Auftragsmorde“ von den Kollegen aus Nürnberg oder dem BKA stammen könnte. Eine persönliche Tat sei zudem ausgeschlossen worden, da die Mordopfer keine Beziehung untereinander gehabt hätten. Für Verstrickungen in den Betäubungsmittelhandel habe es in seiner Erinnerung – und entgegen dem Aktenvorhalt vom März 2004 – Hinweise gegeben, womit möglicherweise die Quellenmeldung der LfV M-V gemeint sein dürfte. Der Obmann der Linksfraktion merkte an, dass auffälligerweise weitere V-Personen entsprechende Hinweise gaben. So sei aufgrund einer Quellenmeldung ein Ermittlungsverfahren gegen den Cousin Mehmet Turguts eröffnet worden, das jedoch eingestellt wurde, da die V-Person nicht mehr greifbar gewesen sei. Auf die Frage, ob die Themen Quellenführung und Glaubwürdigkeit von V-Personen in den Ermittlungen eine Rolle gespielt hätten, antwortete der Zeuge, dass das Verschwinden einer V-Person kein Grund sei, seine Aussage anzuzweifeln.

Ein Schwerpunkt seiner Ermittlungsarbeit sei die Identifizierung des Mordopfers gewesen. Der Rechtsmediziner Prof. Dr. Wegener äußerte in seiner Vernehmung am 17. Januar 2020 sein Unverständnis, dass es sieben Jahre gedauert hatte, um die Identität Mehmet Turguts festzustellen. In den Akten wurde das Mordopfer bis zur Einstellung des Verfahrens unter dem Namen seines Bruders „Yunus“ geführt, obwohl es bereits kurze Zeit nach der Tat eine Identitätsklarstellung durch Bekannte Mehmet Turguts gegeben habe. Auf einer Verfahrensbesprechung von Mitgliedern der SOKO Kormoran, der StA Rostock, der EG Ceska sowie der BAO Bosporus am 12. Juli 2007 einigten sich die Beteiligten, endgültig beim Namen „Yunus Turgut“ zu bleiben. Als Argument führte der Vertreter der EG Ceska, KHK Jung, an, dass Mehmet Turgut auch unter dem Namen seines Bruders in der Türkei beerdigt worden sei. Karen Larisch hielt dem Zeugen anhand eines Fotos vor, dass die Aussage des KHK Jung nicht stimme. Auf dem Grabstein stehe eindeutig „Mehmet Turgut“. Er habe jedoch keinen Grund gehabt, an der Aussage seines Kollegen zu zweifeln.

Er selbst sei zwar zu Ermittlungszwecken in der Türkei gewesen, allerdings nicht in der Region, in der Mehmet Turgut beerdigt wurde.

Im Rahmen einer „Dienstreise“ führte er im März 2007 ein „formloses Gespräch“ mit Yunus Turgut. Die Idee hierfür sei aus dem BKA gekommen, das diese Reise auch organisiert hätte. Es sollte in diesem Zusammenhang auch abgewogen werden, ob eine Wiedereinreise des aus Deutschland abgeschobenen Bruders Mehmet Turguts unterstützt werden könne. Der eigentliche Grund dieser Maßnahme sei jedoch gewesen, dass es keine neuen Hinweise für die Mordermittlungen gegeben hatte. Die Vernehmungen in der Türkei seien der letzte Strohhalm gewesen, um neue Hinweise zu erlangen. KHK Seifert bezeichnete dies als interessante Maßnahme. Auf Nachfrage betonte er, dass es sich um ein „formloses Gespräch“ und nicht um eine Vernehmung handelte, als drei deutsche Polizeibeamte Yunus Turgut über sieben Stunden befragten. Ein Anwalt, wie es das türkische Gesetz im Falle von Vernehmungen vorschreibt, sei nicht anwesend gewesen. Vernehmungen dürften sie ohnehin nicht in der Türkei durchführen. Für KHK Seifert habe sich das Bild ergeben, dass Yunus Turgut nicht mit der Polizei zusammenarbeiten wollte. Aus diesem Grund habe man die Wiedereinreise von Yunus Turgut nicht unterstützt. Peter Ritter fragte, ob ein gewisses Misstrauen gegenüber den deutschen Behörden aufgrund der negativen Erfahrungen nicht verständlich sei. Hierzu zitierte er einen Bericht der Gedenkveranstaltung „Ein Tag für Mehmet Turgut“ vom 25. Februar 2019:

„Sahabettin Turgut berichtete, dass es der Familie in der Türkei sehr schlecht gehen würde. Sie hätten kaum Informationen zu den bisherigen Aufklärungsergebnissen bekommen und seien über Jahre selbst verdächtigt und wiederholt befragt worden. Er selbst sei acht mal polizeilich befragt worden. Gleichzeitig wurde seiner Forderung nach Akteneinsicht nie nachgekommen. Er fordert, dass es endlich eine Verurteilung aller Täter*innen geben solle. Ein Mitarbeiter der CDU-Abgeordneten Barbara John ergänzt, dass die Polizei auch immer wieder gegen Yunus Turgut, den Bruder vom Mehmet Turgut, ermittelt habe und in Folge dessen 19 Tage ins Gefängnis in Ankara gebracht wurde. Die Folgen waren eine starke soziale Isolation, denn in dem Dorf in der Türkei, in dem er lebte, fielen die ständigen Interpol und Polizeibesuche auf und machten ihn verdächtig, sodass er sich einen anderen Wohnort suchen musste. Psychisch sei er irgendwann so am Ende gewesen, dass er kurz davor gewesen sei, einfach zu behaupten er habe seinen Bruder umgebracht, um endlich in Ruhe gelassen zu werden.“ [https://offener-prozess.de/ein-tag-fuer-mehmet-turgut/]

KHK Seifert sagte, dass ihm nicht bekannt gewesen sei, dass Yunus Turgut aufgrund der Mordermittlungen 19 Tage in der Türkei inhaftiert wurde. Ein ähnliches zerstörtes Vertrauensverhältnis zeigte sich Peter Ritter zufolge auch bei anderen Personen aus dem Umfeld Mehmet Turguts gegen die sich Ermittlungsmaßnahmen richteten. In diesem Zusammenhang erwähnte er den Besuch des türkischen Verbindungsbeamten in Norddeutschland im April 2007, in dem unter anderem der Imbissbetreiber aufgesucht wurde. In diesem Gespräch habe sich Haydar Aydin laut Aktenvermerk erfreut über den Besuch eines türkischen Ermittlers gezeigt. Aydin sei gekränkt über das erkennbare Misstrauen deutscher Polizisten, die ihm und seiner Familie offenbar nicht glauben würden. Er könne auch die Maßnahmen (mehrere Durchsuchungen) nicht verstehen und hätte seinen Kindern den Hintergrund erklären müssen. Nach der Besichtigung des Tatortes in Rostock-Toitenwinkel habe der türkische Verbindungsbeamte geäußert, dass wohl kaum von einem Zufallstatort auszugehen sei und der Rostocker Fall eine Sonderrolle darstelle. KHK Seifert vermutete, dass der türkische Beamte die Lage des Tatortes meinte. Wenn man einfach nach Rostock fahre, um einen Türken zu töten, mache man das nicht dort.

Nachdem sich die verschiedenen Tatortdienststellen auf einer Sitzung der Steuerungsgruppe für die Erstellung einer dritten Operativen Fallanalyse (OFA) aussprachen, habe es entsprechende Zuarbeiten dafür gegeben. Welche dies im Detail waren, wurde nicht näher erörtert. Karen Larisch hielt dem Zeugen Auszüge aus dem Ergebnis der dritte OFA vor, welche in der Anklageschrift des NSU-Tribunals, das im Mai 2017 in Köln stattfand, festgehalten wurden:

„‘Alle neun Opfer hatten Kontakte zu einer Gruppierung, die ihren Lebensunterhalt mit kriminellen Aktivitäten bestreitet und innerhalb derer zudem ein rigider Ehrenkodex bzw. ein rigides inneres Gesetz besteht. […] Vor dem Hintergrund, dass die Tötung von Menschen in unserem Kulturkreis mit einem hohen Tabu belegt ist, ist abzuleiten, dass der Täter hinsichtlich seines Verhaltenssystems weit außerhalb des hiesigen Normen- und Wertesystems verortet ist.‘ Wahrscheinlich sei daher auch, dass die Täter ‚im Ausland aufwuchsen oder immer noch dort leben.‘“ [„Wir klagen an!“, Anklage des Tribunals „NSU-Komplex auflösen“, 17. – 21. Mai 2017, Köln-Mühlheim]

Diese Einschätzung des Profilers aus Baden-Württemberg folgte auf die Operative Fallanalyse aus Bayern, die einen oder zwei „missionsgeleitete Täter“ – also Rassisten – hinter den Taten vermutete. Karen Larisch fragte den Zeugen, was er von dieser mit rassistischen Klischees gespickten Analyse halte. KHK Seifert wolle sie jedoch nicht bewerten.

Als zweiter Zeuge erschien KHK Matthias Faust, der eng mit KHK Seifert in der SOKO Kormoran zusammenarbeitete. KHK Faust sei in zwei Phasen mit den Ermittlungen zum NSU-Mord in Rostock befasst gewesen – zunächst zwischen 2006 und 2011 in der SOKO Kormoran sowie nach der Selbstenttarnung des NSU in der BAO Trio M-V. Die SOKO habe sich aus Kriminalbeamten der Fachabteilung 4 „Schwere und organisierte Kriminalität“ des LKA zusammengesetzt. Mit ihrer Gründung im Juni 2006 seien zunächst die umfangreichen Erkenntnisse der Rostocker Mordkommission zusammengetragen worden. Besondere Bedeutung hätten sie dabei Aussagen zugemessen, die am Tattag oder kurz danach getroffen wurden. So erwähnte der Zeuge die Aussage einer Imbisskundin, der gegenüber Haydar Aydin Wochen vor der Tat erwähnt haben soll, dass er Schulden habe. Der Gehalt dieser Aussage, insbesondere ihrer tendenziösen Interpretation durch die Ermittler, wurde durch die Linksfraktion bereits in der Vernehmung der Staatsanwältin Grimm am 6. Dezember 2019 hinterfragt. Dennoch schien diese Spur auch für die SOKO weiter relevant gewesen zu sein. KHK Faust sagte, dass durch weitere Maßnahme versucht worden sei, ein Mädchen ausfindig zu machen, welches im Tatzeitraum weinend vom Imbiss in Rostock-Toitenwinkel weggelaufen sein soll. Die Suche sei jedoch erfolglos verlaufen. Es habe auch zur SOKO-Gründung keine Hinweise auf die Täter gegeben, lediglich eine Person habe zwei Schüsse gehört. Zudem habe es keine auswertbaren DNA-Spuren am Tatort gegeben. Entgegen der bisherigen Annahme des Ausschusses sei die Bekleidung Mehmet Turguts jedoch nicht vernichtet worden. Hier müsse es sich um ein Missverständnis handeln, schlussfolgerte der Zeuge.

Auch habe man intensiv mit der SOKO in Hamburg zusammengearbeitet, konnte jedoch keine Verbindungen zwischen den Mordopfern feststellen. Ein Rauschgifthintergrund der Tat habe sich ebenfalls nicht nachweisen lassen. In seinen Ausführungen erwähnte er auch den Hinweis der LfV M-V, der das Tatmotiv in der Veruntreuung von Geldern aus dem Handel mit Betäubungsmitteln (BtM) in den Vordergrund drückte. Alle diesbezüglichen Ermittlungen seien in der Spur 35 zusammengefasst. Er habe die Ermittlungen nicht selbst geführt, wisse aber, dass diese sehr umfangreich gewesen seien. Auf Frage antwortet der Zeuge, dass dieser Hinweis „selbstverständlich“ die Ermittlungen beeinflusst habe. Es sei jedoch nur ein Teilaspekt gewesen. Aus der Linksfraktion wurde Unverständnis geäußert, dass die Quellenmeldung der LfV M-V auch 2008 noch in Vernehmungen eine Rolle spielte – also vier Jahre nachdem diese Quellenmeldung aufkam. KHK Faust rechtfertigte dies damit, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gewesen sei, dass der Hinweis falsch ist. Es hätten sich darüber hinaus jedoch BtM-Hinweise gehäuft. KHK Faust zählte verschiedene Spuren ins Drogenmilieu auf, die alle im Sand verlaufen seien. Peter Ritter stellte anhand von Aktenvorhalten dar, dass diese nicht haltbaren Hinweise auf einen BtM-Hintergrund gehäuft durch V-Personen von Polizei sowie Verfassungsschutz oder anonymen Hinweisgebern eingegangen seien. KHK Faust antwortete, dass es immer mal wieder VP-Hinweise gäbe, die nicht zutreffen würden. Er selbst erinnere sich an einen Hinweis einer polizeilichen V-Person aus Recklinghausen, die angegeben habe, den Täter – einen türkischen Auftragskiller aus dem Drogenmilieu – zu kennen. Der Hinweisgeber sei jedoch nach verschiedenen Maßnahmen als nicht glaubwürdig einschätzt worden. Peter Ritter monierte weitergehend den Schlussvermerk dieser Spur, wonach weitere erfolgsversprechende Maßnahmen, die die Quelle nicht gefährden würden, nicht gesehen werden. Offenbar verfolge man seitens der Ermittlungsbehörden das Credo „Quellenschutz vor Opferschutz“. KHK Faust erklärte, dass es unter den Ermittlern immer wieder mal Stimmen gegeben habe, die meinten, dass der Mord an Mehmet Turgut nicht im Drogenmilieu zu verorten sei. Er selber habe zwischen den Positionen geschwankt.

Es habe zwei konkrete Hinweise auf ein rechtes Tatmotiv gegeben. So hätte sich nach der Ausstrahlung der Sendung „Aktenzeichen XY“ eine Lehrerin gemeldet, die einen ihrer Schüler mit einer rechten Gesinnung hinter den Taten vermutete. Nach einer Befragung der Lehrerin konnte dieser Verdacht jedoch ausgeschlossen werden. Der zweite Hinweis sei von einem Häftling in der JVA Tegel gekommen, nachdem ein Mithäftling geäußert habe, dass er wahllos „Türken töten“ werde. Mit Blick auf die Mordserie sagte der Hinweisgeber: „Wenn der das ist, ist das ein Nazi, der das gemacht hat.“ KHK Faust sowie KHK Seifert führten zur Abklärung dieses Hinweises mindestens eine Zeugenvernehmung in der JVA durch. Da diese Spur jedoch schon durch die BAO Bosporus bearbeitet wurde, hätten sie ihre Erkenntnisse weitergegeben. Weitere Fragen zu diesem Komplex konnten nur in nicht-öffentlicher Sitzung erörtert werden, da die dazugehörigen Akten als Verschlusssache eingestuft sind.

Im weiteren Verlauf der Vernehmung kommt KHK Faust auf die verschiedenen OFAs zur Mordserie zu sprechen. Unter Berücksichtigung der ersten sieben Ceska-Morde habe Bayern ein Täterprofil mit drei Alternativhypothesen herausgearbeitet. Eine dieser Hypothesen habe einen Einzeltäter beschrieben, der vor Beginn der Mordserie der rechten Szene angehört haben könnte. Diese sei ihm jedoch nicht „hart“ genug gewesen, weshalb er eigenständig begann, vermeintlich türkische Menschen zu exekutieren. Das Einzeltäterkonzept der BAO Bosporus habe die Überprüfung von Massendaten zum Gegenstand gehabt. Voraussetzung hierfür sei gewesen, dass alle Dienststellen sich an diesen Maßnahmen beteiligten, um mögliche „Kreuztreffer“ – also die Mehrfachnennung von Personen an verschiedenen Tatorten – herauszufiltern. Durch die SOKO Kormoran seien unter anderem die Buchungsdaten von Hotels und den Fähren erhoben wurden. Auch seien die Daten von inhaftierten Personen in M-V überprüft worden. Es bestand die Vermutung seitens der Ermittler, dass die lange Mordpause zwischen dem vierten und dem fünften Mord dadurch bedingt sein könnte, dass der mutmaßliche Täter in dieser Zeit eine Haftstrafe abgesessen haben könnte. Der Obmann der Linksfraktion kritisierte den entsprechenden Aktenvermerk, da dieser diese Suche auf eine „mutmaßlich ausländische Person“ einschränke und somit abermals ein deutscher Täter durch die Polizei ausgeschlossen wurde.

Ergänzend zur Hypothese eines Einzel- bzw. missionsgeleiteten Täters habe die OFA Baden-Württemberg (OFA BW) im Auftrag aller Tatortdienststellen eine weitere Fallanalyse erstellt, die einen Einzeltäter wiederum ausschloss. Auch die SOKO habe diese Analyse unterstützt. Aus Sicht der OFA BW sei im Rostocker Mordfall eine emotionale Komponente erkennbar gewesen, da der Täter nicht gleich geschossen habe. So habe es die Vermutung gegeben, dass sich Täter und Opfer gekannt haben könnten. Daraus habe man geschlussfolgert, den Ermittlungsschwerpunkt auf die Tat in Rostock zu legen. Bereits in der Vernehmung des Zeugen KHK Seifert legte Karen Larisch das problematische Ergebnis der OFA BW dar und kritisierte einzelne Auszüge erneut als rassistische Zuschreibung. Aus Sicht des Zeugen seien die Spuren „Rechts“ und „BtM“ gleichrangig behandelt worden. Peter Ritter entgegnete, dass seinem Eindruck nach die Ermittlungen nach rechts erst mit der NSU-Selbstenttarnung intensiviert worden seien.

Analog zur Vernehmung des KHK Seifert kritisierten die PUA-Mitglieder der Linksfraktion abermals, dass Hinweise auf ein rechtes Tatmotiv ignoriert wurden. In mehreren Vernehmungen äußerten Personen aus dem persönlichen Umfeld Mehmet Turguts, dass sie Rassisten hinter der Mordserie vermuteten. An keiner Stelle sei jedoch darauf eingegangen worden. Stattdessen hätten sich die Nachfragen stets auf Drogen oder die PKK beschränkt. Der Obmann der Linksfraktion hielt dem Zeugen die richterliche Vernehmung des Cousins Mehmet Turguts vor, bei der er im September 2008 anwesend gewesen sei. Sahabettin Turgut habe laut Vernehmungsprotokoll geäußert, dass er „Skinheads“ hinter den Taten vermutete. Statt hier nachzuhaken, folgten Fragen zu Glückspiel und BtM-Geschäften. Auch sei dem Cousin abermals der Hinweis der LfV M-V vorgehalten worden, der daraufhin verlangte, ihm Belege für diese Behauptung vorzulegen, was offenbar nicht geschah. Sahabettin Turgut sagte zudem, dass er gelesen habe, dass beim letzten Mord der Täter – ein Deutscher – aus dem Internet-Café in Kassel rausgegangen sein soll. KHK Faust widersprach in der damaligen Vernehmung deutlich. Dies sei falsch, dies stimme nicht. Aus heutiger Sicht interpretierte er seine Reaktion so, dass es 2008 nicht festgestanden habe, dass der Täter ein Deutscher ist. Im Rahmen des Besuchs des türkischen Verbindungsbeamten, den KHK Faust bei verschiedenen Gesprächen begleitete, vermutete der ehemalige Imbissbetreiber, dass der Täter ein „kranker Deutscher“ sei. Auch in einer weiteren Vernehmung, die KHK Faust im Februar 2008 durchführte, äußerte die vernommene Person, dass er davon ausgehe, dass „die Taten von jemand begangen wurden, der ausländerfeindlich ist, ein Skinhead zum Beispiel“. Für KHK Faust seien die Hinweise nicht überraschend gewesen – schließlich hätten sie dies auch immer mitbedacht. Konkrete Ermittlungen bzw. Nachfragen zu diesen Äußerungen blieben jedoch aus.

Bis zur Einstellung des Verfahrens durch die StA Rostock im September 2011 sei es ihnen nicht gelungen, die Täter ausfindig zu machen. Etwa zwei Monate später – am 11. November 2011 – habe er einen Anruf seines Abteilungsleiters erhalten, der ihn über die Selbstenttarnung des NSU informierte. Mit dem Begriff „Selbstenttarnung“ habe er jedoch seine Probleme, da die Rechtsterroristen nach einem gescheiterten Raubüberfall durch die Polizei gestellt worden seien. Montags drauf sei dann die BAO Trio M-V eingerichtet worden, deren Ermittlungen er unterstützen sollte. Im Auftrag von OStA Krüger habe er unter anderem einen Zwischenbericht zu den Ermittlungen mit Bezug zum „Trio“ erstellt. Er habe zudem den Leiter der SOKO, EKHK Deisting, auf dessen Vernehmung im NSU-PUA des Bundestags vorbereitet. Eine Aufarbeitung der fehlgeleiteten Ermittlungen durch das Innenministerium habe es nicht gegeben. Die Mitglieder des NSU-PUA verständigten sich darauf, auf Fragen zur BAO Trio M-V sowie den diesbezüglichen Ermittlungen zunächst zu verzichten, da das Innenministerium bislang nur einen Bruchteil der BAO-Akten geliefert habe. Eine tiefergehende Befragung zu Netzwerkstrukturen des NSU sei somit nicht möglich.

Als letzter Zeuge der heutigen Sitzung erschien KOR Dirk Hoffmann. In seinem Eingangsstatement sagte er, dass es ihm als Kriminalbeamter leidtue, die Mörder Mehmet Turguts nicht gefunden zu haben. Sein Mitgefühl gelte den NSU-Opfern sowie ihren Angehörigen. KOR Hoffmann war 22 Monate stellvertretender Leiter der SOKO Kormoran. Gemeinsam hätten sie anhand der Informationen, die die KPI Rostock bis zum Juni 2006 sammelte, einen Maßnahmenplan erstellt. Ein Schwerpunkt sei die Aufklärung der Lebensgeschichte Mehmet Turguts gewesen. Mehmet Turgut habe sich von allen anderen Opfern der Ceska-Mordserie unterschieden. Er sei erst kurz in Deutschland gewesen, war weder der Inhaber des Geschäfts, in dem er ermordet wurde, noch war er mit dem Inhaber verwandt. Ein zweiter Schwerpunkt der SOKO habe auf der Erhebung und dem Abgleich von Massendaten gelegen. Insgesamt seien in M-V 16 Datentöpfe angelegt worden. Es hätte hierbei einige Kreuztreffer gegeben. Beispielsweise sei ein Mann herausgefiltert worden, der in den fraglichen Zeiträumen in der Nähe von drei Tatorten festgestellt wurde. Der Verdacht konnte bei dem Außenmitarbeiter einer Küchenfirma jedoch nicht erhärtet werden. Peter Ritter kritisierte nochmals den Vermerk zur Rasterfahndung in den JVAs des Landes, insbesondere die Einschränkung auf eine „mutmaßlich ausländische Person“. KOR Hoffmann vermutete, dass diese Beschreibung aus Nürnberg gekommen sei. Es müsse in allen betroffenen Ländern gleichlautende Beschlüsse gegeben haben.

Im Rahmen des Abgleichs von Massendaten sei ein Tatortvergleich zwischen Kassel und Rostock angestrebt worden. Peter Ritter kritisierte die Ablehnung dieses Tatortvergleichs durch die SOKO Kormoran, da hierin erst- und letztmalig in den Ermittlungen nach Veranstaltungen „Rechtsgerichteter“ gefragt worden sei. KOR Hoffmann begründete die Ablehnung dieser Maßnahme damit, dass beide Städte schwer miteinander vergleichbar wären. Es habe zudem nicht den entscheidenden Grund gegeben, diese Spur zu verfolgen. Es hätte andere vordergründige Spuren vorgelegen. Angesicht der sonst sehr intensiv geführten Ermittlungen zeigte Peter Ritter wenig Verständnis für die Ablehnung ausgerechnet dieser Maßnahme. Der Zeuge entgegnete, dass Veranstaltungen der Neonazi-Szene über den Staatsschutz abgefragt worden seien. Allerdings lässt sich zu dieser Behauptung kein entsprechender Vermerk in den Akten finden.

Dem Zeugen wird der Zeitungsartikel der SVZ aus dem März 2007 vorgehalten, in dem es hieß, dass die Polizei einen rechten Tathintergrund „längst“ ausschließe. KOR Hoffmann verwies an dieser Stelle darauf, dass es innerhalb der BAO Bosporus eine abgestimmte Medienstrategie gegeben hätte. Somit müsse es sich bei dieser Einschätzung um eine abgestimmte Position gehandelt haben. Es habe allerdings Ermittlungen in der rechten Szene im Raum Nürnberg gegeben. Von dem hiesigen Staatschutz oder der LfV M-V habe es keine Hinweise auf einen möglichen rechten Tathintergrund gegeben. Es habe zwar zwei konkrete Hinweise auf rechte Täter gegeben, womit er die Hinweise der Lehrerin sowie des JVA-Insassen meinte. Von Verfassungs- oder Staatsschutz hingegen sei nichts in diese Richtung gekommen.

Er könne sich jedoch an die Quellenmeldung der LfV M-V aus dem Jahr 2004 erinnern, die die Tatverdächtigen im Drogenmilieu verortete. Dieser Hinweis sei ihm bereits aus seiner Zeit bei der „Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Rauschgift“ (GER M-V) bekannt, die bei dem Treffen am 2. September 2004 ebenfalls in der KPI Rostock anwesend war. Entgegen des bislang Bekannten erwähnte KOR Hoffmann, dass die LfV M-V bei diesem Treffen auch auf eine PKK-Verbindung nach Rathenow in Brandenburg verwies. Aus Sicht der Linksfraktion scheint die LfV M-V auf dem Treffen in der KPI Rostock zwei Versionen zum Tathintergrund präsentiert zu haben. Inwiefern diese zusammenhängen sollen, ließ sich an dieser Stelle nicht klären. Weshalb zudem nur eine dieser Geschichten offenbar aktenkundig wurde, ist eine weitere Frage, die sich heute ergeben hat. Die Rolle der LfV M-V im Zusammenhang mit den Mordermittlungen wird immer fragwürdiger. Insgesamt habe es KOR Hoffmann zufolge fünfzehn volle Arbeitstage in Anspruch genommen, bevor diese Spur als erledigt erklärt wurde. Es seien viele weitere BtM-Spuren im Sand verlaufen. Es habe allerdings auch Ermittlungen in diesem Milieu gegeben, die abgeschlossen werden konnten. Ein Zusammenhang zur Mordserie, der in Einzelfällen zunächst angenommen worden sei, konnte jedoch in keinem Fall bestätigt werden. KOR Hoffmann benannte beispielhaft eine Festnahme im Landkreis Ludwigslust im Jahr 2005. Hier habe ein Drogenkurier ein Päckchen Kokain transportiert, das in einem Zeitungsartikel eingewickelt worden war, der sich mit der Mordserie befasste. Die genauen Hintergründe dieses Fundes und der verwendeten Zeitung konnten jedoch nicht geklärt werden.

Zudem hätte sich die SOKO Kormoran gemeinsam mit den anderen Tatortdienststellen auf einen möglichen „Fall 10“ vorbereitet. Nach einer kritischen Auseinandersetzung der bisher geleisteten Tatortarbeit in den verschiedenen Dienststellen, sollten unter anderem die Standards der Tatortuntersuchungen vereinheitlicht werden, um künftig ein klareres Spurenbild zu erhalten. Dieser 10. Fall sei jedoch nicht eingetreten.

Nach Auskunft des KOR Hoffmann habe es keine strukturierte Aufarbeitung der Ermittlungen gegeben. Man sei nicht der Frage nachgegangen, was man heute anders machen würde. Laut seiner Kenntnis seien jedoch die Handlungsempfehlungen, die der Deutsche Bundestag nach Abschluss des ersten NSU-PUA formulierte, in die Polizeiausbildung an der Fachhochschule Güstrow aufgenommen worden.